05.07.2023 | AKH, Politik

Hessische Immobilien­wirtschaft unter Druck – Mehr Unterstützung und bessere Rahmen­bedingungen nötig

In der Initiative „Impulse für den Wohnungs­bau – HESSEN“ haben sich die führenden hes­si­schen Ver­bände und Institutionen der Bau- und Immobilien­wirtschaft zusammengeschlossen. Sie fordern von der Landes­regierung mehr Unterstützung und bessere Rahmen­bedingungen, damit die Klima­schutzziele im Bestand erreicht und mehr neue Wohnungen gebaut werden können.

 

Die Immobilien­wirtschaft in Hessen stehe unter erheblichem Druck, so Gerald Lipka, Sprecher der Initiative und Geschäfts­führer des BFW Landesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland. „Die Erreichung der Klima­schutzziele ist für bestandshaltende Wohnungsunternehmen eine logistische und finanzielle Heraus­forderung. Außerdem müssen dringend neue Wohnungen gebaut werden, um die hohe Nachfrage gerade in den Ballungsgebieten zu befriedigen.“ Fehlende Grundstücke, Lieferengpässe und explodierende Energiekosten hätten zu massiven Steigerungen der Baupreise geführt. Der Fachkräftemangel am Bau bleibe weiterhin ein limitierender Faktor.

Unterstützung für junge Familien: Absenkung der Grunderwerbsteuer in Hessen

Finanzierungskosten von rund vier Prozent überforderten immer mehr private und institutionelle Bauherren. „Um private Haushalte zu motivieren, trotz der veränderten konjunkturellen Bedingungen gerade jetzt in den Wohnungs­bau zu investieren, sollte die Landes­regierung über eine Absenkung der Grunderwerbsteuer nachdenken“, so Lipka. Denkbar sei auch, Ersterwerber von Eigentum ganz von der Grunderwerbsteuer befreien. Dies müsste der Bundesgesetzgeber er­mög­lichen. „Bei einer Grunderwerbsteuer von 6 Prozent und einem Kaufpreis von 500.000 Euro sind dies 30.000 Euro – viel Geld für junge Familien!“

Klima­schutz: Eine Milliarde Euro Förderung jährlich für vermietete Wohnungen nötig

Dass die Wohnungswirtschaft vor großen Heraus­forderungen steht, bestätigt auch Dr. Axel Tausendpfund, Vorstand des VdW südwest und stellvertretender Sprecher der Initiative. „Studien zeigen, dass bei einem frei finanzierten Neubau in Ballungs­räumen momentan Mieten von rund 20 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden müssten, um kostendeckend zu bauen. So bleibt das bezahlbare Wohnen auf der Strecke! Was wir bei den aktuell schwierigen Rahmen­bedingungen mehr denn je benötigen, sind Impulse, Wohnraum zu schaf­fen, insbesondere im bezahl­baren Bereich. Hessen hat kürzlich die Konditionen für den Bau von geförderten Wohnungen verbessert. Ein wichtiger und überfälliger Schritt, den wir begrüßen. Aber: Die Förderung muss in Zukunft häufiger und in kürzeren Abständen angepasst werden, um auf aktuelle Ent­wick­lungen zu reagieren.“ Beim Klima­schutz sei die Lage noch drängender, so Tausendpfund. „Zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor sind immense Summen nötig. Allein für die vermieteten Wohnungen in Hessen benötigen wir eine Förderung von mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr, um den Klima­schutz sozialverträglich umzusetzen. Hier darf sich das Land nicht zurücklehnen und auf den Bund verweisen, denn die Bundes­förderung hat sich seit 2022 massiv verschlechtert. Wir brauchen ein eigenständiges Förderprogramm des Landes.“

Klares Warnsignal: Auftragseingang im Wohnungs­bau deutlich zurückgegangen

Auch die Bauindustrie spüre die aktuelle Krise deutlich, erklärt Dr. Burkhard Siebert, Haupt­geschäfts­führer Bauindustrieverband Hessen-Thüringen e.V.: „Aufgrund der hohen Material- und Energiepreise sowie der gestiegenen Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit für viele Bauherren weg. Besonders auffällig ist der Auftragseingang im März 2023 beim Wohnungs­bau zurückgegangen: Es sind Aufträge in Höhe 89,2 Mio. € eingegangen, das waren 51,8 Prozent weniger als im März 2022.“ Eine Besserung sei laut Siebert nicht in Sicht, im Gegenteil: „Die Talfahrt im Wohnungs­bau beschleunigt sich dramatisch. Im April 2023 wurden in Hessen Genehmigungen für 352 Wohngebäude und 1.049 Wohnungen erteilt. Das sind -28,9 Prozent bzw. -43,0 Prozent weniger als im April des Vorjahres.“ Eine Trendwende könne nur erreicht werden, wenn Bürokratie abgebaut und Genehmigungsverfahren beschleunigt würden.

Deregulierung: Fehlende Deponiekapazitäten verteuern weiter Abbruch und Erdaushub

Thomas Reimann, Präsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V., spricht sich für eine konsequente Deregulierung aus. „Die Bau­wirtschaft in Hessen steht bereit und ist liefer- und leistungsfähig. Sie kann Wohnraum schaf­fen, wenn weniger Auflagen und Vorschriften die Genehmigungsprozesse bestimmen und die administrativen Rahmen­bedingungen wieder passen. Bauunternehmen und Investoren sehen sich gegenwärtig immer öfter mit einer Vielzahl von Regulierungen und bürokratischen Hürden konfrontiert. Diese führen zu Verzögerungen, höheren Kosten und am Ende wieder zu einer Verschärfung des Wohnraummangels, da die Investition in die Immobilie ausbleibt. Bestes Beispiel ist der Mangel an Deponien beim Umgang mit Abbruch und Erdaushub.“ Dieser müsse teilweise hunderte Kilometer weit transportiert werden. Dabei eigne er sich bautechnisch meist zur Wiederverwendung an anderen Stellen, wie dem Straßen- und Wegebau. „Dies muss stärker von den öffentlichen Auftraggebern unter­stützt werden. Wir wollen Kreis­lauf­wirt­schaft umsetzen!“ In Hessen brauche es dringend neue Deponien zur notwendigen Entsorgung und Zwischenlager, die diese Aufbereitung zur Wiederverwertung er­mög­lichen. „Wir müssen mit weniger Auflagen und Vorschriften schneller in die Umsetzung von Wohnungsneubau gelangen.“

Senkung der Baukosten möglich: Bauaufsichtliche Anforderungen reduzieren

Dr. Martin Kraushaar, Haupt­geschäfts­führer der Architekten- und Stadt­planer­kammer Hessen, hält eine Senkung der aktuell hohen Baukosten für möglich. „Erforderlich wäre dafür eine Veränderung im Bereich von bautechnischen Standards. Auch bauordnungsrechtlich besteht Handlungsbedarf. Wenn besonders Aufstockungen, Nachverdichtungen und energetische Sanierungen im Bestand gefordert sind, kann dies nicht bedeuten, dass 50 bis 60 Jahre alte Gebäude bei umfassenderen Sanierungen durchweg auf den Stand der Bautechnik des Jahres 2023 zu bringen sind. Andernfalls wird die aus Klima­schutzgründen nötige Erhöhung der Sanierungsrate unterbleiben. Es bedarf eigener bauordnungsrechtlicher Bestandsschutzregeln und der Privilegierungen von geringfügigen baulichen Änderungen. Die Bauordnungen sind darauf hin zu überprüfen, dass im Gesetzesvollzug die Erreichung der Schutzziele im Vordergrund steht.“

Viel Luft nach oben beim Gebäudeenergiegesetz (GEG)

Die aktuellen Diskussionen über das Gebäudeenergiegesetz sorgten für eine große Verunsicherung der Menschen, so Christian Holl, Landessekretär des Bundes Deutscher Architekt­innen und Architekten Hessen. Der einseitige Fokus auf das Thema Wärmepumpe greife zu kurz. Wichtig sei eine ganzheitliche Betrachtung, die Gebäudehülle, Konstruktion und Haustechnik miteinschließe. Das Gebäudeenergiegesetz sollte dahingehend weiterentwickelt werden. Potenziale der Hülle, der Konstruktion und der Gebäudekonzeption, die langfristig wirken, sollten von Förderung flankiert werden. Beim Neubau liegen die wesentlichen Möglichkeiten in Bauweise und Entwurf, Primärenergie einzusparen. „Vorrang der Bemühungen sollte aber der Bestand haben. Ziel muss sein, vor allem im Bestand den Energiebedarf im Gebäudebetrieb zu senken, da damit die Abhängigkeit vom Energieträger gemindert und den damit verbundenen Preisunsicherheiten begegnet werden kann. Damit wird auch ein wesentlicher Schritt hin zu einer verlässlichen Bezahlbarkeit des Wohnens geleistet.“

Fachkräftemangel bremst den Bau neuer Wohnungen in Hessen

Ein weiterer limitierender Faktor für die Bau- und Wohnungswirtschaft in Hessen sei der Fachkräftemangel, erläutert Andreas Ostermann, Koordinator der Initiative und Vorsitzender des BDB-Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Hessen Frank­furt. Die Landes­regierung müsse die Bildungspolitik deshalb mehr auf eine Berufs­ausbildung nach der Schule ausrichten und stärker vermitteln, dass der Abschluss einer Ausbildung ein anzustrebendes Fundament für ein späteres, erfolgreiches Berufsleben sei. „2021/2022 blieben fast 70.000 Berufs­ausbildungsstellen unbesetzt – so viel wie noch nie. Und die Zahl junger Erwachsener in der Altersgruppe 20 bis 34 ohne abgeschlossene Ausbildung stieg zuletzt auf über 2,5 Millionen in Deutsch­land – so hoch war der Anteil ebenfalls noch nie.“ Erstrebenswert sei eine handwerkliche Interessensbildung bereits ab der Grund­schule. „Jugendliche können beispielsweise durch ein Schulfach ‘Werken‘ handwerkliche Begabungen entdecken und für handwerkliche Tätigkeiten begeistert werden.“

Presse­meldung vom 05.07.2023 zum Download

Hintergrund:
Angesichts der Ent­wick­lung auf dem Wohnungsmarkt haben sich führende Ver­bände und Institutionen der Bau- und Immobilien­wirtschaft zur Länderinitiative Impulse für den Wohnungs­bau – HESSEN zusammengeschlossen, um ihren ge­meinsamen Forderungen in der Politik mehr Gehör zu verschaf­fen. Der Zusammenschluss wird von der Bundesinitiative unter­stützt und durch den BDB Hessen Frank­furt koordiniert. Sprecher der Länderinitiative Hessen ist Gerald Lipka vom BFW Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. https://www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de/laenderinitiativen/hessen

 

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