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Was macht Städte lebenswert?

Ein Auszug aus dem Redebeitrag von Brigitte Holz, Präsidentin der Architekten- und Stadt­planer­kammer Hessen auf dem Tag der Immobilien­wirtschaft am 29.10.2019 der IHK Darm­stadt.

Die Metropolregion Frank­furtRheinMain wächst. Immer mehr Menschen zieht es auf­grund lukrativer Arbeitsplätze in die Region. Darm­stadt gilt als Schwarmstadt und ist für Studierende von besonderem Interesse. Doch Attraktivität hat ihren Preis. Neuer, insbesondere bezahlbarer Wohnraum wird in allen Oberzentren der Region dringend benötigt. Die verfügbaren Bauflächen sind knapp. Flächenkonkurrenzen zwischen Wohnen und Gewerbe, aber auch zwischen Siedlung und Freiflächen zeichnen sich ab. Die trockenen Sommer in den letzten beiden Jahren zeigen, wie belastend das Klima in den Städten ist, die nicht über ausreichend Grün sowie Frischluftschneisen im Städtebau verfügen. Die Bodenpreise steigen ins Unermessliche. Ein Investment im Wohnungs­bau wird nur noch im hochpreisigen Segment rentabel. Die Verkehrsinfrastrukturen – sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße – geraten an ihre Kapazitätsgrenzen. 

Der Handlungsdruck, schnell Wohnraum zu schaf­fen, führt in Teilen zu Standardlösungen, die weiterhin der Wohnform der klassischen Kernfamilie entsprechen. Handelt es sich hierbei um ein nach­haltiges Investment? Besondere Wohnformen, gemeinschaftlich orientierte Wohn­projekte finden sich auf dem Wohnungsmarkt kaum.

Ein weiterer Aspekt stimmt mich nachdenklich: Das Wohnen in den Kernstädten ist für viele kaum noch bezahlbar. 

Die Konzentration der gewerblichen Immobilienentwicklung auf das hochpreisige Segment leitet Verdrängungseffekte ein, die der Stadtgesellschaft nicht dienen. Im Umland der großen Städte, insbesondere an den Stadträndern, werden weiterhin Einfamilienhausgebiete ausgewiesen, die kurzfristige Wohnwünsche befriedigen. Im Ergebnis entstehen vielfach gesichtslose Quar­tie­re und Siedlungen ohne jede Identität. Gleichzeitig veröden historische Ortskerne. Im Bau­kulturbericht der Bundesstiftung wurde dieser ‘Donut-Effekt‘ treffend beschrieben. 

Als Architekten- und Stadt­planer­kammer Hessen stehen wir zu dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung". Gleichwohl sind wir uns der Heraus­forderungen, die mit diesem Grundsatz verbunden sind, sehr wohl bewusst. Die Hürden der Nachverdichtung, der Arrondierung gewachsener Strukturen, der Umnutzung und der Weiter­entwicklung des Bestandes sind nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig aber wollen wir eine Trendwende in der Flächeninanspruchnahme erreichen.

Der durchschnittliche Wohnflächenbedarf pro Person liegt derzeit bei 46,5 qm. Auch der Koalitionsvertrag der jetzigen Landes­regierung zielt im Interesse des Ressourcenschutzes auf Flächensparen. Zukünftig sollen in Hessen nur noch 2,5 ha/Tag neu versiegelt werden. Wie passt das zusammen? 

Was ist zu tun? Weiter wie gewohnt? 
Ich sage entschieden: nein. 

Um weiter zu kommen, müssen wir uns meines Erachtens fragen, wie wir zukünftig leben wollen und welcher Ar­chi­tek­tur, welchen Städtebaus und welcher Freiraumgestaltung es hierzu bedarf.

Wie kann es gemeinsam gelingen, die große Chance des Wachstums zu nutzen und zukunftsweisende Quar­tie­re und innovativen Wohnungs­bau, aber auch Gewerbebau zu entwickeln? Was geschieht mit unseren Innenstädten, wenn der Handel sich zurückzieht? Was macht die Lebens­qualität in unseren Städten zukünftig aus? Ich glaube, wenn wir wissen, welche Qualitäten wir ansteuern wollen, dann finden wir auch Wege, wie z.B. das Planungsrecht o.ä. anzupassen ist.

Wir beschäftigen uns heute mit Perspektiven für lebenswerte Städte. 
Hierzu fünf Thesen:

These 1: Wohnen muss die Vielfalt der Wohnbedürfnisse widerspiegeln.

These 2: Unsere Städte müssen dichter, kompakter und grüner werden.

These 3: Wir brauchen neue Formen der Mischung.

These 4: Die Mobilitätswende birgt Chancen und Heraus­forderungen für den öffentlichen Raum.

These 5: Qualität schafft Akzeptanz für Veränderung.

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