Schulbau – Neue Lernlandschaften für Hessen!
Neben einer geforderten Wohnbauoffensive um die gegenwärtig dringlichste Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum zu lösen, steht auch der Bedarf nach gutem und modernem Schulbau im Fokus der landespolitischen Diskussion.
Guter Schulbau leistet als soziale Infrastruktur einen wesentlichen Beitrag zum Politikziel der Hessischen Landesverfassung zur Anpassung gleicher Lebensverhältnisse von Stadt und Land – sie wird zum Standortfaktor. Dem öffentlichen Bauen und der Demokratie als Bauherr kommt an dieser Stelle eine Vorbildfunktion zu. Vor allem der Schulbau muss wieder als gebaute Lebensumwelt begriffen werden, denn Räume prägen.
Aktuelle Herausforderungen im Schulbau
Bundesweit wird ein Investitionsbedarf bei Schulen und Erwachsenen Bildung von 32,6 Mrd. Euro berechnet. Hessen liegt im Ländervergleich mit seinen Bildungsausgaben auf Platz 4. (Quelle: KfW Kommunalpanel 2017 und DeStatis 13.06.2017)
Der ländliche Raum schrumpft und die Metropolregionen wachsen. Bis 2023 wird ein Bevölkerungswachstum allein für Frankfurt am Main auf 810.000 Menschen im Vergleich zu 2017 mit 730.000 Einwohnern prognostiziert. (Quelle: Stadt frankfurt am Main: Frankfurter Statistische Berichte 2019)
Steigende Schülerzahlen in den Metropolen: In den nächsten vier Jahren sollen die Schülerzahlen an öffentlichen Schulen von derzeitig 63.000 Schülern um zusätzliche 10.000 schulpflichtigen Kindern allein in Frankfurt am Main ansteigen. (Quelle: Stadt Frankfurt am Main: Integrierter Schulentwicklungsplan der Stadt Frankfurt am Main 2016-2020, 2016)
Der Frontalunterricht, große Schülerklassen und die Flurschule sind nicht mehr zeitgemäß. Der traditionelle Schultyp ist damit unter Druck gestellt. Die Einführung und der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung, des gemeinsamen Lernens, kleinere Klassen und inklusiver Pädagogik bedürfen einer adäquaten räumlichen Entsprechung.
Geeigneter Baugrund ist spekulativen Begehrlichkeiten ausgesetzt. Die Endlichkeit und Verknappung der Ressource Boden stellt ein großes Hindernis für Innen- wie Außenentwicklung dar. Zudem fordert die Hessische Landesregierung im Sinne des Ressourcenschutzes die Versiegelung auf 2,5 ha/Tag in Hessen zu begrenzen. (Quelle: Hessische Landesregierung, Großer Frankfurter Bogen)
Die heißen Sommer stressen die hochverdichteten Städte mit großem Versiegelungsanteil, mangelnden Kaltluftschneisen und wenig Stadtgrün – ihre Zentren werden im wahrsten Sinne des Wortes zu „hot spots“. Der Klimawandel heizt die Innenstädte zusätzlich auf und zeigt seine Wirkung. Es führt zu gesundheitlichen Beschwerden. (Quelle: Klimaplanatlas Frankfurt am Main 2016)
Der Bausektor bedarf 36 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und ist für ca. 40 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes (2017) mitverantwortlich.(Quelle: UN-Studie, The Global Status Report 2018)
Ziel der Schulbauleitlinien im Landkreis Darmstadt-Dieburg ist es, die veränderten pädagogischen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Schulen als Planungsgrundlage aufzunehmen und vergleichbare Rahmenbedingungen für bauliche Erneuerungs- und Neubaumaßnahmen im Landkreis zu schaffen.
Diese Rahmensetzungen sollen belastbar sein, aber gleichzeitig individuelle Gestaltungsspielräume eröffnen. Der Begriff der »Leitlinie« zeigt einerseits das Verbindliche und soll andererseits eine Gleichschaltung und schematische Standardisierung verhindern.
Da-Di Werk Gebäudemanagement: In: Anlass und Ziele: Schulbauleitlinien schaffen Rahmen und Spielräume, Schulbauleitlinien Landkreis Darmstadt-Dieburg, Band 1, 2013
Unter Berücksichtigung der aktuellen Herausforderungen muss an vielen Stellen das Thema Schule und Schulbau neu gedacht werden, denn sie formulieren schließlich einen neuen Anspruch an Architektur und Städtebau. Wie kann also eine kurzfristige und gleichzeitig nachhaltige Schaffung von Schulbauten unter diesen Vorzeichen gelingen? Es gilt für zeitgemäße Bildungsbauten einzutreten und die Kompetenzen des Berufsstandes zu nutzen!
Guter Schulbau muss...
Raum als dritten Pädagogen verstehen!
Die Schule ist gebaute Lebensumwelt. Neue Raummodelle, wie Cluster oder offene Lernlandschaften, fördern neues Lehren und Lernen. Sie machen Lust auf Schule! Pädagogik und Architektur sind daher zwei Disziplinen, die im Schulbau unbedingt zusammen gedacht werden müssen.
Holzmodulbauweise weiterdenken!
Die Vorteile des Holzbaus lassen sich mit wenigen Worten zusammenfassen: Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, energiesparend und lagert als einziger Baustoff Kohlendioxid ein. Holz besitzt eine hohe Tragfähigkeit, ein geringes Eigengewicht und gute Dämmwerte.
Der Holzmodulbau hat seine Grenzen noch lange nicht erreicht: Er bietet hohe gestalterische Freiheiten und viel Potenzial für „offene Lernlandschaften“. Schon ein anderer Zuschnitt der Basiseinheit ermöglicht Varietät der Raumsequenzen.
Serielles Bauen beschleunigen!
Standardisierte Bauelemente sind geeignet für die Vorfertigung und digitale Fabrikation.
Somit kann das serielle Bauen Zeit im Bauablauf von der Herstellung, Lagerung, Anlieferung bis zur Montage einsparen helfen und damit auch Kosten. Unter Berücksichtigung von Nachnutzung, Elastizität im Funktionswechsel oder Wiederverwendung der Elemente des seriellen Bauens (recycle/upcycle) können diese einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
Schule als integrativen Stadtbaustein verstehen!
Neben der Konzeptvergabe ist der Vorzug der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung ein wichtiges Instrument integrativer Stadtentwicklung. Unentdeckte Flächenpotenziale sind wegen der Verknappung an Boden auszuschöpfen. Eine Voraussetzung hierfür sind kommunale Flächenkataster, die einen Überblick über Brachen, Baulücken und Möglichkeiten des Bauens in zweiter Reihe für die Innenentwicklung eröffnen.
Moderner Schulbau muss als soziale Infrastruktur nicht nur durch seine räumliche Öffnung, Massstäblichkeit oder Materialität an das Quartier eingebunden werden, sondern auch durch eine qualitative Freiraumgestaltung.
Neue Bauformen entwickeln!
Neue Formen der Mischung und die Nachfrage nach einem multifunktionalen Gebäudetyp eröffnen neue Chancen auch für den Schulbau. Der Hybrid wird in der Konstruktion längst praktiziert, dieser könnte ein Modell für die Verknüpfung von bezahlbarem Wohnraum und modernem Schulbau werden. Die Stadt Frankfurt wird einen der ersten Hybridbauten mit einer Schule im Schönhof-Viertel realisieren.
Multicodierte Stadträume miteinander vernetzen!
Der öffentliche Raum ist Lebensraum und die Infrastruktur der Zukunft. Er muss wieder als baukulturelle Aufgabe begriffen werden. Nur durch eine qualitative Freiraumplanung kann eine Transformation von Stadträumen gelingen und findet in der Gesellschaft Akzeptanz.
Eine Chance liegt auch in der Mobilitätswende. Sie ermöglicht eine Rückeroberung des öffentlichen Straßenraums durch den Menschen. Die Devise muss sein: vom Verkehrsraum zum Aufenthaltsraum.
Neue Frei- und Grünräume können die Wildnis (u.a. Biodiversität) in die Stadt zurückholen und halten Einzug in die Schule. Sie verstehen sich als erweiterte „grüne“ Klassenzimmer.
Klimaanpassung mitgestalten!
Neben der Förderung des Holzbaus und einer qualitativen Freiraumplanung kann auch die Hausbegrünung, von der Fassade bis zum Dach, einen Beitrag zum Klimaschutz sowie zur Abkühlung der überhitzen Städte und Gebäude leisten. Auch das Vokabular der Architektur bietet mit seinen Bauelementen, wie der Dachform oder der Loggia, kreative Lösungen zur Klimaanpassung.
Teilhabe und Inklusion ermöglichen!
Die Einbindung von Schulamt, Schülern, Lehrern und Eltern in die Planung von Schulbauten erfolgt bereits erfolgreich an vielen Stellen in der Phase 0. Jedoch findet diese oftmals aus ökonomischen Zwängen keine Berücksichtigung. Umfassende Partizipation bedeutet aber auch Schule als Teil des Quartiers zu denken und im Interesse neuer Formen der Mischung und Zugänglichkeit auch nachbarschaftliche Belange stärker zu berücksichtigen. Zukünftig wird es zunehmend wichtig sein, Planungen von Schulbauten partizipativ anzugehen.
Baukultur fördern!
Mit der sogenannten Phase 0 bis Phase 10, unter Berücksichtigung der Interessen unterschiedlicher Planungsbeteiligter, wird Teilhabe praktiziert, Akzeptanz geschaffen und für die gebaute Umwelt sensibilisiert. Es kann als ein nützliches Instrument zur Aufgabenformulierung eines Wettbewerbsverfahrens angesehen werden. Der Architektenwettbewerb steht für Planungs- und Verfahrenskultur.
Gute Schulen sind nun mal ein Standortvorteil und steigern die Attraktivität des Kreises.
Ulrich Krebs, Landrat Hochtaunus, Schulbauprogramm „Schulen für das 21. Jahrhundert“, Taunus-Zeitung 21.11.2017
Handbuch zur baukulturellen Bildung
Baukultur braucht Bildung! Ein Handbuch
Bundesstiftung Baukultur (Hrsg.)
Eigenverlag: Potsdam 2020