Lisa Farkas/Vor­bild­liche Bauten 2011

Fachliteratur / Ar­chi­tek­turbücher

Hier finden Sie In­for­ma­tio­nen zu Neuerscheinungen anderer Herausgeber aus den vergangenen drei Monaten, die für Ihre Tätigkeit als Architekt*in oder Stadt­planer*in von Interesse sein könnten.

Städtebau im Nationalsozialismus

Angriff, Triumph, Terror im europäischen Kontext 1933 – 1945

Ob sumerische Zikkurat, ägyptische Pyramiden, aztekische Tempelanlagen oder mittelalterliche Trutzburgen – monumentale Bauwerke dienten immer auch als Ausweis von Machtverhältnissen, als steinerne Manifestationen von Herrschaft. Dies gilt nicht nur für einzelne Bauten: Baulich-räumliche und gesellschaftliche Verhältnisse spiegeln einander wider und beeinflussen sich gegenseitig.

Auch in der nationalsozialistischen Diktatur wurde der Städtebau instrumentalisiert zur Legitimation von Herrschaft, zur Demonstration von Stärke in Konkurrenz zu anderen Staaten, zur Umsetzung staats- und gesellschaftspo­li­ti­scher Ziele. Dem Autorenteam der vorliegenden Neuerscheinung kommt das Verdienst zu, den Städtebau der NS-Diktatur nicht nur in seiner Komplexität und Ent­wick­lung umfassend zu analysieren, sondern ihn in einen Kontext zu anderen europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts wie der Sowjetunion und dem faschistischen Italien einzuordnen. Mit dem von den Herausgeber*innen gewählten gesellschaftswissenschaftlichen Ansatz wird der Begriff Städtebau sehr weit gefasst. Er umschließt neben der gebauten und gezeichneten städte­bau­lichen Form die Prozesse, die zu ihrer Entstehung geführt haben und die Verhältnisse, die diese Prozesse ermöglicht haben. 

Die Darstellung ist in drei Ent­wick­lungsabschnitte unterteilt, verbunden durch kurze Brückenkapitel:

  1. Angriff (1933-1937): Auf der Suche nach dem nationalsozialistischen Städtebau
  2. Triumph (1937-1941): Große Pläne über alles
  3. Terror (1941-1945): Städtebau im Weltkrieg

Auf die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse folgt ein kurzer Abriss des Umgangs mit dem städte­bau­lichen Erbe des Nationalsozialismus nach 1945 mit dem zutreffenden Hinweis, dass hier weitere Untersuchungen notwendig sind.

Der Band „Städtebau im Nationalsozialismus“ ist keine leichte Lektüre. Doch vor dem Hintergrund des weltweiten Erstarkens autokratischer Regierungen und Herrschaftsformen bietet er Planerinnen und Planern 80 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur viel Stoff zum Nachdenken über die gesellschaftliche Relevanz ihrer Tätigkeit und die Rolle der gebauten Umwelt.

 

Frei Otto. Bauen mit der Natur. 1925 - 2015

Anlässlich des 100. Geburtstags von Frei Otto ist im Prestel Verlag eine beeindruckende Monografie über seine lebenslange Suche nach einem ausgewogenen Verhältnis von Natur, Technik und Ar­chi­tek­tur erschienen. Angesichts des Klimawandels und zunehmender ökologischer Krisen ist das Thema aktueller denn je. Frei Otto war mit seinem ganzheitlichen Naturverständnis bereits seit den 1950er Jahren Wegbereiter und Vordenker einer umweltbewussten Bau­kultur, der sich mit Themen wie Bionik, ökologischem Bauen und Partizipation auseinandersetzte.

Ein bunt gemischtes Autor*innenteam Forschender aus den Bereichen Ar­chi­tek­tur, Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft, Design und Bautechnikgeschichte hat sich mit dem Werk von Frei Otto aus unter­schiedlichen Perspektiven auseinandergesetzt. Herausgekommen ist eine heterogene Reihe spannender und teils auch widersprüchlicher Beiträge, die die Pluralität der Naturkonzepte und Naturbilder von Frei Otto widerspiegeln. Der üppig bebilderte Band, unterteilt in die drei Themenbereiche Natur, Technik und Gesellschaft, ist mit seinen lesenswerten Projektvorstellungen, Essays und Ge­sprächen viel zu schade, nur als Coffee-Table-Book zu zu dienen. Er will und muss gelesen werden!

Feuerwehrbauten

Um ihren vielfältigen Aufgaben nachzukommen – das Spektrum verändert und erweitert sich stetig, neu sind etwa besondere Löschverfahren für brenndene Lithium-Ionen-Akkus – benötigen hauptamtliche wie ehrenamtliche Feuerwehren multifunktionale Bauten, die heutigen Anforderungen gerecht werden. Neben Abstellmöglichkeiten für Löschfahrzeuge werden Waschräume und Umkleiden, Aufenthalts- und Schulungsräume, Materiallager sowie gegebenenfalls Wartungs- und Reparatureinrichtungen benötigt. Zudem werden Löschfahrzeuge im Durchschnitt immer größer und schwerer. Ältere Feuerwehrhäuser oder -wachen verfügen häufig nicht über die notwendigen Hallenhöhen oder Durchfahrtsbreiten der Tore, um moderne Löschfahrzeuge unterbringen zu können. Trotz schwieriger Finanzlage werden viele Kommunen nicht umhinkommen, ihre Feuerwehrbauten zu modernisieren oder neu zu errichten.

Ausgehend von den Standardabläufen der Feuerwehr zeigt das in zweiter, aktualisierter Auflage vorgelegte Handbuch Feuerwehrbauten, wie unter Berücksichtigung aktueller Vorschriften und Normen  – unter anderem der 2024 überarbeiteten DIN 14092 – ein funktionales Raumprogramm entwickelt werden kann. Dieses soll nicht nur den technischen und betrieblichen Abläufen entsprechen, sondern auch eine angemessene Aufenthaltsqualität bieten. Anhand 30 ausgewählter Projekte mit Grundrissen geben die Autoren einen Überblick über moderne Gebäude mit Vorbildcharakter, die iden­ti­täts­stiftende Orte geworden sind. Damit liefern sie nicht nur ein Panorama zeitgemäßer Formen und Gestaltungsmöglichkeiten für Feuerwehrbauten, sondern geben Planenden konkrete Hilfen für diese Planungsaufgabe an die Hand.

Die Abrissfrage

Mit Beiträgen von ANA, Elisabeth Broermann, Laura Calbet, Dina Dorothea Falbe, Maximilian Hartinger, Maria Hudl, Katrine Majlund Jensen, Adrian Nägel, Yulia Ostheimer, Luise Rellensmann, Tim Rieniets, Martha Seeger, Lukas Strasser und Alexander Stumm sowie den Ar­chi­tek­turkollektiven AbbrechenAbbrechen (München), Abrisskollektiv (Hannover), Initiative Perspektive Europaviertel (Freiburg) und ufoufo (Berlin)

Der jetzte erschienenene erste Band „Die Abrissfrage“ der neuen Schriftenreihe Fundamente Ökologisches Bauen greift eine der wichtigsten Heraus­forderungen auf, vor denen die Gesellschaft angesichts des fortschreitenden Klimawandels steht. Die allererste Überschrift lautet „Abriss ist politisch“. Damit ist Ansatz der Herausgeber und des Autor*innenteams bei der Beschreibung von historischen Ent­wick­lungen und aktuellen Dynamiken im Umgang mit Gebäuden eindeutig definiert.

Der Band beleuchtet Akteursnetzwerke, Gentrifizierungsprozesse und ideologische Hintergründe von Abriss und Neubau. Die heterogene Zusammensetzung des Team von Autorinnen und Autoren führt zu einer großen perspektivischen Vielfalt mit Ansätzen aus Ar­chi­tek­turgeschichte und -theorie, Denkmal­pflege, Feminismus, Aktivismus oder Kunst. Ihnen gemeinsam ist die Erkenntnis, dass angesichts des Klimawandels eine Abkehr von der fossilen Logik der letzten 200 Jahre unumgänglich ist. 

Ergänzt werden die thematischen Beiträge durch Kurzbeschreibungen von 64 Abrissprojekten in Kassel, Berlin, Brandenburg und München. Der Band schließt mit der im September 2022 gegenüber der damaligen Bundesbauministerin Klara Geywitz erhobenen Forderung nach einem Abriss-Moratorium.

 

 

Weitere Veröffentlichungen

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