Architectural Guide Kharkiv
Es mag beinahe als Glücksfall anmuten, dass die ukrainische Architektin und Architekturhistorikerin Ievgeniia Gubkina die Arbeit an dem vorliegenden Architekturführer vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 schon fast abgeschlossen hatte. Denn manche der darin dokumentierten Bauten weisen mittlerweile schwere Kriegsschäden auf oder wurden komplett zerstört. Dass der Architekturführer Kharkiv in englischer und ukrainischer Sprache dennoch erst in diesem Jahr erscheint hat auch damit zu tun, dass die heute in London lebende Autorin angesichts des Kriegs ihre Sichtweise auf ihre Heimatstadt nochmals neu und persönlicher gefasst und das Manuskript entsprechend überarbeitet hat. Zahlreiche Beschreibungen wurden zudem um kurze Hinweise auf aktuelle Kriegsschäden ergänzt.
Die Architekturführer aus dem Hause DOM Publishers zeichnen sich durch hochwertiges Bildmaterial und qualifizierte Beschreibungen aus, die die abgebildeten Bauten in einen historischen und gesellschaftlichen Kontext einordnen. Das gilt auch für den Architectural Guide Kharkiv. Je ein Kapitel ist dem alten (historischen) Zentrum, dem neuen Zentrum und der Hauptachse und damit urbanen Lebensader zwischen den beiden Zentren gewidmet. Das historische Zentrum bildet die (Bau-)geschichte bis zur russischen Revolution ab, das neue Zentrum die postrevolutionären Entwicklungen dieser Stadt, die von 1919 bis 1934 Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik war. Der resultierende Bauboom dieser Jahre machte Kharkiv zu einer herausragenden Stadt der Moderne.
Man könnte meinen, dass ein Architekturführer zu einer Stadt mitten im Krieg wenig sinnvoll ist, da auf absehbare Zeit keine touristischen Reisen dorthin denkbar sind. Der Architekturführer Kharkiv ist jedoch nicht nur ein Architekturführer, sondern auch ein Dokument der Erinnerung und ein Manifest der Widerstandskraft der Kharkiver Bevölkerung.