Bestand braucht Haltung – Das Erbe der Nachkriegsmoderne weiterdenken
Die Reihe „Ungeliebte Moderne?“ wird seit 2006 jährlich in Kooperation zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen und der Arbeitsgruppe „Architekten in der Denkmalpflege und Bauen im Bestand“ der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen organisiert und durchgeführt.
Ungeliebte Moderne? Ein Zusammenspiel von Theorie und Praxis
Das interdisziplinäre Zusammentreffen von Fachleuten aus Theorie und Praxis findet stets beim zu verhandelnden Objekt vor Ort statt. Neben der konkreten Auseinandersetzung und Objektanalyse werden Fachvorträge, Diskussionen und Objektbegehungen angeboten.
Im Rahmen der Veranstaltung werden Zielsetzungen der architektonischen, stadt- und freiraumplanerischen Konzeption, die Qualität und Materialität dieses besonderen baukulturellen Erbes der Nachkriegs- und Spätmoderne sowie Strategien für deren Akzeptanz und Weiterentwicklung in unsere heutige Zeit und für die nachfolgenden Generationen diskutiert.
Das Format „Ungeliebte Moderne?“ möchte den unterschiedlichen Bündnispartnern ein Hilfsinstrument zur Seite stellen:
- im Umgang mit Leerstand
- auf der Suche nach neuen baukulturellen Leitbildern
- in der Anpassung des Bestands an neue Raumkonzepte
- in der Transformation von Stadt bzw. Land von monofunktionalen zu multicodierten Lebens- sowie Verkehrsräumen
- in der Frage Innenentwicklung vor Außenentwicklung
- zur Förderung der regionalen und ortsspezifischen Baukultur.
Im Sinne eines Auftakts bzw. eines vorgeschalteten Monitorings für eine mögliche „Phase 0“ bietet das Format „Ungeliebte Moderne?“ folgende Aspekte:
- einen neutralen Verhandlungsrahmen
- den interdisziplinären Austausch
- das Zusammenführen unterschiedlicher Nutzer- und Interessensgruppen
- die Möglichkeit der Netzwerkbildung
- die Förderung an Akzeptanz für das baukulturelle Erbe und des Weiterbauens
- eine erste Positionsbestimmung
Das Kulturerbe ist ein zentrales Element hoher Baukultur. Die Art, wie wir das kulturerbe heute nutzen, pflegen und schützen, wird entscheidend sein für die zukünftige Entwicklung einer gebauten Umwelt von hoher Qualität.
Artikel 9, Deklaration von Davos zur Baukultur, 2018
Projekte der Ungeliebten Moderne?
Ernst-Reuter-Schule Frankfurt
Die Ernst-Reuter-Schule, errichtet zu Beginn der Sechzigerjahre, war von Anfang an als Modell- und Experimentalschule ausgelegt. Sie bildete einen zentralen Baustein des neu entstandenen Stadtteils. Sie machte mit ihren reformpädagogischen Ansätzen von sich reden, die für den heutigen Lehrbetrieb teilweise noch selbstverständlich sind. Der Schulkomplex wird heute von einer achtzügigen Integrierten Gesamtschule sowie einem Oberstufen-gymnasium mit weit über 2.000 Schülerinnen und Schülern genutzt. Das aktuelle Thema „Inklusion“ hat sehr hohen Stellenwert.
Die Gesamtanlage mit ihrem sehr markanten strukturalistischen Plankonzept ist in weiten Teilen authentisch, ohne große Umbauten von Innen- und Außenraum, geblieben. Sie zeigt aber einen hohen Sanierungsbedarf an, um auch den zukünftigen Schulbetrieb mit seiner Neuausrichtung zu einer offenen Lernlandschaft gewährleisten zu können.
Treppenstraße Kassel
Die Veranstaltung widmete sich einer aktuell brisanten Thematik und einem bisher eher unbeachteten Aspekt in der Bauforschung – die des „öffentlichen Raums“ und des „städtischen Grüns“ aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren.
Die Stadt Kassel zählt mit dem Stadtumbau zur „autogerechten Stadt“ und seinen baulichen Zeugnissen des Wiederaufbaus zu dem bundesweit einzigartigen baukulturellem Erbe der Fünfziger- und Sechzigerjahre, welches bis heute nahezu erhalten blieb.
An vielen Stellen der Stadt hat bereits die Umgestaltung des Stadtraums an heutige funktionale und ästhetische Bedürfnisse begonnen. Es gilt die Sensibilisierung und Wertschätzung dieses gartenkulturellen Erbes der Fünfziger- und Sechzigerjahre zu fördern sowie Kriterien zur Inventarisierung, Erforschung, zum Schutz und zum langfristigen Erhalt einer „Grünen Nachkriegsmoderne“ zu formulieren.
Publikation zum Thema Bauen im Bestand
Vorbildliche Bauten im Bestand – Prämierte Beispiele aus Hessen
Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen / Martin Sommer (Hrsg.)
Junius: Hamburg 2007Zum Inhalt