25.08.2023 | Bauwesen, Recht

Auftragswertberechnung – Kammern und Ver­bände befürchten weiterhin Rechtsunsicherheit

Mit Verkündung der Verordnung zur Anpassung des Ver­gaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ im Bundesgesetzblatt müssen nahezu alle öffentlichen Planungsaufgaben künftig nach den Regeln des EU-Rechts vergeben werden, denn auch für diese gelten seit dem 24.08.2023 dieselben Regeln zur Auftragswertberechnung wie für sonstige Dienstleistungen. Damit steht fest, dass bei öffentlichen Aufträgen für Planungsleistungen Lose über gleichartige Leis­tungen zusammengefasst werden müssen.

Die Ver­gabeverfahren werden sowohl für die Auftraggeber- wie für die Auftragnehmerseite deutlich aufwändiger und werden damit erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die Kammern und Ver­bände der planenden Berufe kritisierten bereits im Juni die entsprechende Entscheidung des Bundesrats für dessen Zustimmung zur Änderung der Ver­gabeverordnung. Sie befürchten eine wirtschaftliche Gefährdung der mittelstandsgeprägten Planungswirtschaft in Deutsch­land.

Der Bundesrat hatte immerhin bei seiner Zustimmung - ebenso wie Planerorganisationen und kommunale Spitzenverbände - mit Blick auf die Ausführungen in der Begründung zur Verordnung eine klarstellende Erläuterung gefordert, die eine rechtssichere Auftragswertberechnung ermöglicht. In der Verordnungsbegründung wurde ein Ansatz beschrieben, wonach als Grundlage für die Auftragswertberechnung (auch) von Planungsleistungen das Bauvorhaben als Ganzes herangezogen werden kann. Unabhängig davon muss die Ver­gabe sowohl der Planungs- als auch der Bauleistungen wegen des Gebots der mittelstandsfreundlichen Ver­gabe in der Regel auch weiterhin in einzelnen Losen erfolgen. Bei Umsetzung dieses Ansatzes dürfte die Anzahl der EU weiten Ausschreibungen bei weitem nicht so stark steigen.

Die klarstellende Erläuterung zur Auftragswertberechnung des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Klima­schutz (BMWK) wurde am 24. August 2023 veröffentlicht. Das BMWK bezieht sich hierbei auf die EU-Kommission, die nach wie vor an ihrer restriktiven Haltung festhält. Da das Vertragsverletzungsverfahren mit Inkrafttreten der eForms-Verordnung auch noch nicht beendet ist, müssten sich die Erläuterungen auf Hinweise auf den geltenden Rechtsrahmen konzentrieren. Auch sei die Rechtsanwendung im Einzelfall den Ver­gabestellen und die Rechtsauslegung den Ver­gabekammern und Gerichten vorbehalten. Vor diesem Hintergrund werden die Erläuterungen voraussichtlich nicht in gewünschtem Maße zur Rechtssicherheit beitragen.

„Ob die Handreichung trotzdem die öffentlichen Auftraggeber veranlassen könnte, für die Auftragswertberechnung den höheren Schwellenwert für Bauvorhaben heranzuziehen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen“, sagt Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundes­architekten­kammer. „Wir werden uns hierzu insbesondere mit den kommunalen Spitzenverbänden weiter austauschen. Denn sollten die Kommunen dies nicht tun, ist mit einer Verzehnfachung der EU-weiten Ausschreibungen zu rechnen. Dies würde nicht nur die meisten Kommunen überfordern, auch viele kleine und junge Planungsbüros werden wegen des viel höheren Bewerbungsaufwands von Ausschreibungsteilnahmen absehen zu Lasten von innovativen Ideen für mehr Nachhaltigkeit und Bau­kultur.“ 

Der Präsident der Bundes­ingenieur­kammer, Dr.-Ing Heinrich Bökamp, befürchtet massive Auswirkungen auf die planenden Berufe und auf eine Vielzahl dringend benötigter Bauprojekte in Deutsch­land. „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten sollten die kleinen und mittleren Büros geschützt und gefördert werden. Diese bilden bislang das Rückgrat der deutschen Planungslandschaft und werden vor dem Hintergrund von Bau- und Energiewende dringender denn je benötigt. Eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Leis­tungserbringung kann jedoch nur unter fairen Rahmen­bedingungen gewährleistet werden“, unterstreicht der Präsident der Bundes­ingenieur­kammer.

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Cathrin Urbanek
Referatsleiterin Öffentlichkeits­arbeit, Architekt­in
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