Bauen mit System - Ein Wohnregal als Stadtbaustein
Das Systemhaus in Holzhybridbauweise in Offenbach am Main vom Büro Hirschmuellerschmidt Architektur mbH aus Darmstadt versteht sich als Beitrag zur aktuellen Diskussion um einen angespannten Wohnungsmarkt mit dem Bedarf an kostengünstigen Wohnraum und zum nachhaltigen, ressourcenschonend Bauen mit dem Werkstoff Holz.
Mit Hilfe von Standardisierung und Vorfertigung ist ein modulares Wohnregal entwickelt worden, welches auf einfache und komplexe Anforderungen – von der Wohneinheit zum Stadtbaustein – reagieren kann.
Ausgehend von einer 2-Zimmerwohneinheit als Modul lässt sich das Wohnraumangebot flexibel auf eine 3-Zimmerwohnung erweitern oder auf eine 1-Zimmerwohnung als Sondertypus reduzieren. Die Ökonomie des Grundrisses ermöglicht eine Erschließung von zwei oder drei Wohnungen auf jeder Etage. Sie werden über einen barrierefreien Zugang von einem lichtdurchfluteten, offenen Treppenhaus mit Aufzug erreicht. Zusammen mit dem Erschließungskern bilden die Wohneinheiten einen abgeschlossenen, kompakten Wohnhaustypus im Baukastenprinzip, welcher sich entweder in die Höhe stapeln oder in die Breite multiplizieren lässt. Dieser ist sowohl als einzelnes Punkthaus als auch als aneinandergereihte Hauszeile denkbar. Diese Variationsmöglichkeiten erlauben auch dem Systemhaus auf die unterschiedlichsten städtebaulichen Begebenheiten reagieren zu können. Während das Wohnregal in der Taunusstraße (Offenbach I) als Zeilenbau einen bestehenden Hausblock städtebaulich neu arrondiert und räumlich abschließt, ergänzt im Gegensatz dazu, auf fast nahezu selbstverständliche Weise, die weiterentwickelte Version des Systemhauses (Offenbach II) mit Punkthochhäusern, eine 1960er-Jahre-Siedlung in der Brandenburger Straße. Dies kann als ein gelungenes Beispiel zur Nachverdichtung von bestehenden Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit gewertet werden.
Projektbilder
Neue Standards – Wohnen im Holzhybrid
Als Prototyp zeigt sich das Wohnregal in der Taunusstraße in seiner Gestaltung im Vergleich zu den beiden anderen Systemhäusern, Typ Hanau und Typ Offenbach II, vor allem in der äußeren Anmutung differenzierter. Anstatt einer kompletten Umhüllung mit einem Holzpanelenkleid kommt bei diesem Typus das Prinzip des Stapels und der Reihung durch die Betonung und Materialunterscheidung von Tragwerk und Ausfachung in der Fassadengestaltung zur Geltung. Der große Baukörper wird dadurch in einen für seine Umgebung angemessenen Maßstab gegliedert. Mit zwei gebäudehohen Treppenhausverglasungen zur Straßenseite und einer vorgestellten Balkongerüstkonstruktion auf der Gartenhofseite wird die klare Gebäudestruktur in ihrer strengen, funktionalen Anmutung unterstützt.
Der Holzhybrid gibt sich erst in der näheren Betrachtung mit seiner innovativen Misch-Konstruktion zu erkennen. Neben dem brandschutzsicheren Treppenhauskern sind nur die Fundamentplatte und die Kellerdecke des Hauses aus Stahlbeton ausgeführt. Für die einzelnen Regelgeschosse sind neu entwickelte Holzbetonverbunddecken gewählt worden.
Aufgrund einer genauen Vorplanung und einem Vorfertigungsanteil an standardisierten Bauteilen von ca. 60 Prozent, bis hin zu komplett vorfabrizierten Raumeinheiten (Badezimmer), bemisst sich die Bauzeit des Holzhybrids auf maximal sechs Monate. Viele Bauteile wurden in Werkhallen vorfabriziert und erst vor Ort auf der Baustelle zusammengefügt. Damit ist zudem eine Entlastung der Baustellenlogistik und der Anwohnerschaft durch Baulärm erzielt worden.
Der Holzhybrid besteht aus 70 Prozent nachwachsenden Rohstoffen und ist durch seine kompakt gehaltene Baumasse, dem Einsatz einer Wärmedämmverbundfassade auch im Energieverbrauch sparsam. Nach Angaben der Planer werden 350 Tonnen CO2 dauerhaft im Holzhybridgebäude gespeichert, was einem Speichervolumen von ca. 500 Fichten (35 Meter Höhe, 100 Jahre alt) entsprechen würde und dies bei einem Materialeinsatz von 350 cbm Holz für das Gesamtgebäude mit 25 Wohneinheiten.
Die funktionale Durchdringung beim standardisierten und vorfabrizierten Bauen mit dem Werkstoff Holz, wie es das Systemhaus in seiner architektonischen Qualität demonstriert, ist mit einer „Besonderen Anerkennung“ für das Auszeichnungsverfahren vorbildlicher Bauten im Lande Hessen 2017 unter dem Gesamtmotto „Kostengünstiges Bauen“, gewürdigt worden.
Das Systemhaus wird insgesamt als sehr wertvoller Beitrag zum standardisierten, rationellen Wohnungsbau gewertet und zeigt deutlich, dass eine ausschließlich auf funktionalen Aspekten basierende Gestaltung hohe architektonische Qualitäten erzeugen kann.
Beurteilung der Jury, Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Lande Hessen 2017
Pläne
Steckbrief
Objekt | Systemhaus in Holzhybridbauweise, Taunusstraße 69-71, 63069 Offenbach am Main |
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Bauvorhaben | Neubau |
Typologie | Wohnen |
Architekten | Hirschmuellerschmidt Architektur GmbH, Darmstadt www.hirschmuellerschmidt.de |
Bauherren | GBO Offenbach – gemeinnützige Baugesellschaft mbH Offenbach, Offenbach am Main |
Fertigstellung | 2016 |
Auszeichnungen | „Besondere Anerkennung“, Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Lande Hessen 2017 |