AKH/Christoph Rau

Landes­ent­wicklungsplan Hessen 2020 – Raumstruktur, Zentrale Orte und Großflächiger Einzel­handel

Die Rahmen­bedingungen, unter denen der LEP 2000 aufgestellt wurde, haben sich maßgeblich verändert. Veränderungen in der Gesamtbevölkerungsentwicklung, in der Altersstruktur und in der regio­nalen Verteilung berühren fast alle Bereiche der Landes­ent­wicklung. Aber auch der Klimawandel, die Mobilitätswende oder die Digitalisierung fordern eine Neujustierung aller Politikbereiche und damit auch eine Neuausrichtung der Landes­ent­wicklungsplanung.

30.04.2020_Der Landes­ent­wicklungsplan ist das wichtigste Instrument der Landes­planung. Die Architekten und Stadt­planer­kammer Hessen (AKH) begrüßt eine aktive Steuerung der Landes­planung und eine Orientierung an den Zielen einer nach­haltigen Ent­wick­lung des Landes.

Die AKH unter­stützt die hessische Landes­regierung sehr gerne bei der Umsetzung differenzierter, an den teilräumlichen Stärken der Regionen ausgerichteter Handlungsansätze mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in Hessen zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die In­no­vationskraft zu fördern.

Die Landes­ent­wicklungsplanung hat hierzu rahmensetzende Funktion. Sie zeigt Ent­wick­lungsperspektiven auf und formuliert Handlungserfordernisse. Basis jeder Landes­ent­wicklungsplanung ist die Raumstruktur und das System zentraler Orte. Die AKH begrüßt es sehr, dass mit der 4. Änderung zum Landes­ent­wicklungsplan Hessen 2000 insbesondere diese beiden Strukturelemente näher untersucht und fortgeschrieben wurden.

Raumstruktur und Gesamträumliche Ent­wick­lung

Raumkategorien

Der Landes­ent­wicklungsplan 2000 kannte drei Strukturraumtypen: den Verdichtungsraum, den Ordnungsraum und den ländlichen Raum. Mit der 4. Änderung werden u.a. auf der Grundlage der Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte pro km² vier Raumkategorien (Hochverdichteter Raum, Verdichteter Raum, Ländlicher Raum mit Verdichtungsansätzen, Dünn besiedelter Ländlicher Raum) gebildet und eine Neuabgrenzung flächendeckend vorgenommen.

  • Die AKH begrüßt diese weitergehende Differenzierung, da sie den raumstrukturellen Unterschieden sowohl der Verdichtungsräume als auch von jenen der ländlichen Räumen Rechnung trägt. Es ergibt sich ein sehr viel differenziertes Bild auf Teilregionen Hessens, ihren Kontext und mögliche Perspektiven.

 

Überregio­nale und regio­nale Ent­wick­lungsachsen

Erstmals werden vor dem Hintergrund der beschriebenen Raumstruktur überregio­nale Ent­wick­lungsachsen im LEP ausgewiesen. Regionale Ent­wick­lungsachsen sind durch die Regionalplanung ergänzend vorzusehen.

  • Die AKH begrüßt diese Entscheidung, da dadurch zum einen Ent­wick­lungsperspektiven in der Fläche, d.h. außerhalb der Metropolregion angestoßen werden können, zum anderen ein klares Bekenntnis zur Konzentration von Siedlungsentwicklung entlang von Verkehrsachsen erfolgt.

 

Kulturlandschaften als eigene Raumkategorie

Die massive Inanspruchnahme von Landschaft für Siedlung und Verkehr, zur Energieerzeugung, aber auch der Klima- und agrarstrukturelle Wandel führen zu teils ungesteuerten Veränderungen der Kultur- und Naturlandschaften und damit zu einem Wandel bis hin zum Verlust regio­naler Identitäten. Die Sicherung, Pflege und Ent­wick­lung von Landschaft gehört deshalb zu den Kernthemen eines zukunftsge­rech­ten Umgangs mit Raum und Umwelt.

  • Die AKH regt an, die Analyse und Kategorisierung von Raumstrukturen durch eine Erfassung und Beschreibung charakteristischer Kulturlandschaftstypen in Hessen zu ergänzen.

Zentrale Orte

Das raumordnerische Konzept der zentralen Orte geriet im wissenschaftlichen Kontext bereits in den 1990er Jahren in die Kritik. Es galt als zu normativ und zu wenig flexibel. Herausgehoben wurde, dass es dem geänderten Konsumverhalten der Verbraucher, ihrer prinzipiellen Mehrfachorientierung sowie ihrer zunehmenden Mobilität und damit verbundenen Wahlmöglichkeiten nicht abbilde. Zudem war und ist insbesondere in den Verdichtungsräumen eine Inkongruenz der Räume für Wohnen, für die Versorgung, für Freizeit und Er­holung sowie für Arbeitsplätze festzustellen.

Die Kritik stimmt auch weiterhin. Hinzukommt, dass die Disparitäten der Landes­ent­wicklung in den jeweiligen Bundesländern zunehmen, so dass sich neben der Frage nach klar abgrenzbaren Versorgungsbereichen in den Verdichtungsräumen auch die Frage nach der Tragfähigkeit bestimmter Einrichtungen und damit auch nach Standards einer Mindestversorgung in den ländlichen Räumen stellt.

  • Die AKH begrüßt es sehr, dass mit der 4. Änderung des LEP 2000 auch in Hessen die Diskussion zur Bewertung des zentral-örtlichen Systems sowie
    zu einer möglichen Fortschreibung geführt wird.
  • Die AKH spricht sich explizit für eine Weiter­entwicklung des etablierten Systems aus und plädiert dafür, je nach Raumstruktur (Verdichteter Raum versus Ländlicher Raum) die Anforderungen an die Ausstattungsgrade und Funktionen (Ordnungs- und Ent­wick­lungsfunktion versus reiner Versorgungsfunktion) der jeweiligen Zentrentypen differenziert zu betrachten.
  • Die AKH sieht in einem fortgeschriebenen zentralörtlichen System die Chance, Ziele der nach­haltigen Raumentwicklung (sozial ge­rech­te Verteilung von Res­sour­cen, ökonomisch effizienter Einsatz von Res­sour­cen, ökologisch begrenzter Verbrauch von Res­sour­cen) räumlich zu konkretisieren sowie der Pflege und Weiter­entwicklung gewachsener Kulturlandschaften zu entsprechen.   

 

Die hessische Situation  

Die Zentrenstruktur ist an den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) gekoppelt, d.h. sollten Mittelzentren ihrem Anforderungsprofil nicht entsprechen können, wären Einnahmeneinbußen aus dem KFA eine mögliche Folge.     

  • Der AKH ist sehr wohl bewusst, dass es im Interesse der gesell­schaft­lichen Akzeptanz und der po­li­ti­schen Umsetzbarkeit eine Heraus­forderung bedeutet, langjährig etablierte Strukturen einer kritisch-konstruktiven Analyse zu unterziehen und Änderungen umzusetzen.
  • Umso mehr begrüßt sie die differenzierte Bewertung der 98 Mittelzentren hinsichtlich Ausstattungsqualität, Mitversorgungsgrad und Lage im Raum und die daraus folgende Einordnung in sechs Mittelzentrentypen.

Großflächiger Einzel­handel

Handel ist Wandel – das geflügelte Wort bezieht sich zunächst auf die Handelsunternehmen und deren Bereitschaft zu Veränderungen. Es bezeichnet aber auch die dynamische Veränderung im Einzel­handel und damit einhergehend die Raumentwicklung unter geänderten Rahmen­bedingungen, die häufig genug zu den bekannten Fehl­entwicklungen geführt hat.

  • Die AKH begrüßt, dass mit der 4. Änderung des LEP die landesplanerische Steuerung von Standorten, Größe und Sortimenten großflächiger Einzel­handelseinrichtungen deutlich gestärkt wird und nachfolgenden Planungsebenen möglichst rechtssichere Vorgaben gemacht werden.

 

Sowohl die klarstellende Definition einer „Agglomeration nicht großflächiger Einzel­handelsbetriebe“ und deren Festlegung als Ziel der Raum­ordnung und damit als verbindliche Vorgabe als auch die konkrete Auflistung des Mindestumfangs von innenstadtrelevanten Sortimenten wird für nachfolgende Planungsebenen hilfreich sein.

  • Die AKH sieht die Chance, durch eine restriktive Steuerung peripherer Einzel­handelsentwicklungen eine verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Sinne einer kompakten und gemischten Stadt, so wie sie im 1. Hessischen Supermarktgipfel diskutiert wurde, zu erreichen.

 

Da sich das Einkaufsverhalten nicht an Gemeindegrenzen orientiert, der Online-Handel weiter zunimmt und wachsende Flächenbedarfe für immer größere Verkaufsflächen insbesondere bei Sortimenten der wohnungsnahen Grundversorgung (Nahrungsmittel, Drogerie) die Kommunen vor neue Heraus­forderungen stellt, stellen Regionale Einzel­handelskonzepte ein wichtiges Instrument dar.

  • Die AKH sieht hierin einen wichtigen Schritt zur Stärkung und Im­ple­ment­ierung einer interkommunalen Kooperation. Die Ent­wick­lung eines regio­nalen Einzel­handelskonzeptes könnte für die geplanten Modellprojekte eine inhaltliche Säule der Zusammen­arbeit bedeuten.
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