Landesentwicklungsplan Hessen 2020 – Raumstruktur, Zentrale Orte und Großflächiger Einzelhandel
Die Rahmenbedingungen, unter denen der LEP 2000 aufgestellt wurde, haben sich maßgeblich verändert. Veränderungen in der Gesamtbevölkerungsentwicklung, in der Altersstruktur und in der regionalen Verteilung berühren fast alle Bereiche der Landesentwicklung. Aber auch der Klimawandel, die Mobilitätswende oder die Digitalisierung fordern eine Neujustierung aller Politikbereiche und damit auch eine Neuausrichtung der Landesentwicklungsplanung.
30.04.2020_Der Landesentwicklungsplan ist das wichtigste Instrument der Landesplanung. Die Architekten und Stadtplanerkammer Hessen (AKH) begrüßt eine aktive Steuerung der Landesplanung und eine Orientierung an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung des Landes.
Die AKH unterstützt die hessische Landesregierung sehr gerne bei der Umsetzung differenzierter, an den teilräumlichen Stärken der Regionen ausgerichteter Handlungsansätze mit dem Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in Hessen zu sichern, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Innovationskraft zu fördern.
Die Landesentwicklungsplanung hat hierzu rahmensetzende Funktion. Sie zeigt Entwicklungsperspektiven auf und formuliert Handlungserfordernisse. Basis jeder Landesentwicklungsplanung ist die Raumstruktur und das System zentraler Orte. Die AKH begrüßt es sehr, dass mit der 4. Änderung zum Landesentwicklungsplan Hessen 2000 insbesondere diese beiden Strukturelemente näher untersucht und fortgeschrieben wurden.
Raumstruktur und Gesamträumliche Entwicklung
Raumkategorien
Der Landesentwicklungsplan 2000 kannte drei Strukturraumtypen: den Verdichtungsraum, den Ordnungsraum und den ländlichen Raum. Mit der 4. Änderung werden u.a. auf der Grundlage der Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte pro km² vier Raumkategorien (Hochverdichteter Raum, Verdichteter Raum, Ländlicher Raum mit Verdichtungsansätzen, Dünn besiedelter Ländlicher Raum) gebildet und eine Neuabgrenzung flächendeckend vorgenommen.
- Die AKH begrüßt diese weitergehende Differenzierung, da sie den raumstrukturellen Unterschieden sowohl der Verdichtungsräume als auch von jenen der ländlichen Räumen Rechnung trägt. Es ergibt sich ein sehr viel differenziertes Bild auf Teilregionen Hessens, ihren Kontext und mögliche Perspektiven.
Überregionale und regionale Entwicklungsachsen
Erstmals werden vor dem Hintergrund der beschriebenen Raumstruktur überregionale Entwicklungsachsen im LEP ausgewiesen. Regionale Entwicklungsachsen sind durch die Regionalplanung ergänzend vorzusehen.
- Die AKH begrüßt diese Entscheidung, da dadurch zum einen Entwicklungsperspektiven in der Fläche, d.h. außerhalb der Metropolregion angestoßen werden können, zum anderen ein klares Bekenntnis zur Konzentration von Siedlungsentwicklung entlang von Verkehrsachsen erfolgt.
Kulturlandschaften als eigene Raumkategorie
Die massive Inanspruchnahme von Landschaft für Siedlung und Verkehr, zur Energieerzeugung, aber auch der Klima- und agrarstrukturelle Wandel führen zu teils ungesteuerten Veränderungen der Kultur- und Naturlandschaften und damit zu einem Wandel bis hin zum Verlust regionaler Identitäten. Die Sicherung, Pflege und Entwicklung von Landschaft gehört deshalb zu den Kernthemen eines zukunftsgerechten Umgangs mit Raum und Umwelt.
- Die AKH regt an, die Analyse und Kategorisierung von Raumstrukturen durch eine Erfassung und Beschreibung charakteristischer Kulturlandschaftstypen in Hessen zu ergänzen.
Zentrale Orte
Das raumordnerische Konzept der zentralen Orte geriet im wissenschaftlichen Kontext bereits in den 1990er Jahren in die Kritik. Es galt als zu normativ und zu wenig flexibel. Herausgehoben wurde, dass es dem geänderten Konsumverhalten der Verbraucher, ihrer prinzipiellen Mehrfachorientierung sowie ihrer zunehmenden Mobilität und damit verbundenen Wahlmöglichkeiten nicht abbilde. Zudem war und ist insbesondere in den Verdichtungsräumen eine Inkongruenz der Räume für Wohnen, für die Versorgung, für Freizeit und Erholung sowie für Arbeitsplätze festzustellen.
Die Kritik stimmt auch weiterhin. Hinzukommt, dass die Disparitäten der Landesentwicklung in den jeweiligen Bundesländern zunehmen, so dass sich neben der Frage nach klar abgrenzbaren Versorgungsbereichen in den Verdichtungsräumen auch die Frage nach der Tragfähigkeit bestimmter Einrichtungen und damit auch nach Standards einer Mindestversorgung in den ländlichen Räumen stellt.
- Die AKH begrüßt es sehr, dass mit der 4. Änderung des LEP 2000 auch in Hessen die Diskussion zur Bewertung des zentral-örtlichen Systems sowie
zu einer möglichen Fortschreibung geführt wird. - Die AKH spricht sich explizit für eine Weiterentwicklung des etablierten Systems aus und plädiert dafür, je nach Raumstruktur (Verdichteter Raum versus Ländlicher Raum) die Anforderungen an die Ausstattungsgrade und Funktionen (Ordnungs- und Entwicklungsfunktion versus reiner Versorgungsfunktion) der jeweiligen Zentrentypen differenziert zu betrachten.
- Die AKH sieht in einem fortgeschriebenen zentralörtlichen System die Chance, Ziele der nachhaltigen Raumentwicklung (sozial gerechte Verteilung von Ressourcen, ökonomisch effizienter Einsatz von Ressourcen, ökologisch begrenzter Verbrauch von Ressourcen) räumlich zu konkretisieren sowie der Pflege und Weiterentwicklung gewachsener Kulturlandschaften zu entsprechen.
Die hessische Situation
Die Zentrenstruktur ist an den Kommunalen Finanzausgleich (KFA) gekoppelt, d.h. sollten Mittelzentren ihrem Anforderungsprofil nicht entsprechen können, wären Einnahmeneinbußen aus dem KFA eine mögliche Folge.
- Der AKH ist sehr wohl bewusst, dass es im Interesse der gesellschaftlichen Akzeptanz und der politischen Umsetzbarkeit eine Herausforderung bedeutet, langjährig etablierte Strukturen einer kritisch-konstruktiven Analyse zu unterziehen und Änderungen umzusetzen.
- Umso mehr begrüßt sie die differenzierte Bewertung der 98 Mittelzentren hinsichtlich Ausstattungsqualität, Mitversorgungsgrad und Lage im Raum und die daraus folgende Einordnung in sechs Mittelzentrentypen.
Großflächiger Einzelhandel
Handel ist Wandel – das geflügelte Wort bezieht sich zunächst auf die Handelsunternehmen und deren Bereitschaft zu Veränderungen. Es bezeichnet aber auch die dynamische Veränderung im Einzelhandel und damit einhergehend die Raumentwicklung unter geänderten Rahmenbedingungen, die häufig genug zu den bekannten Fehlentwicklungen geführt hat.
- Die AKH begrüßt, dass mit der 4. Änderung des LEP die landesplanerische Steuerung von Standorten, Größe und Sortimenten großflächiger Einzelhandelseinrichtungen deutlich gestärkt wird und nachfolgenden Planungsebenen möglichst rechtssichere Vorgaben gemacht werden.
Sowohl die klarstellende Definition einer „Agglomeration nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe“ und deren Festlegung als Ziel der Raumordnung und damit als verbindliche Vorgabe als auch die konkrete Auflistung des Mindestumfangs von innenstadtrelevanten Sortimenten wird für nachfolgende Planungsebenen hilfreich sein.
- Die AKH sieht die Chance, durch eine restriktive Steuerung peripherer Einzelhandelsentwicklungen eine verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Sinne einer kompakten und gemischten Stadt, so wie sie im 1. Hessischen Supermarktgipfel diskutiert wurde, zu erreichen.
Da sich das Einkaufsverhalten nicht an Gemeindegrenzen orientiert, der Online-Handel weiter zunimmt und wachsende Flächenbedarfe für immer größere Verkaufsflächen insbesondere bei Sortimenten der wohnungsnahen Grundversorgung (Nahrungsmittel, Drogerie) die Kommunen vor neue Herausforderungen stellt, stellen Regionale Einzelhandelskonzepte ein wichtiges Instrument dar.
- Die AKH sieht hierin einen wichtigen Schritt zur Stärkung und Implementierung einer interkommunalen Kooperation. Die Entwicklung eines regionalen Einzelhandelskonzeptes könnte für die geplanten Modellprojekte eine inhaltliche Säule der Zusammenarbeit bedeuten.