
Sanierung und Erweiterung der Käthe-Kollwitz-Schule, Gießen
Preisgerichtsentscheidung liegt vor
Wettbewerbsform | Nicht offener Realisierungswettbewerb mit anschließendem Verhandlungsverfahren nach VgV |
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Ort | Gießen |
Auslober | Universitätsstadt Gießen |
Betreuung | THOMASGRÜNINGERARCHITEKTEN, Darmstadt |
Preisrichter | Dirk Schluppkotten (Vorsitz), Sascha Buurman, Prof. Karin Damrau, Prof. Jürgen Hauck, Astrid Eibelshäuser, Florian Krauß |
Pädagogische Architektur
Sanierung und Erweiterung der Käthe-Kollwitz-Schule in Gießen
Die Universitätsstadt Gießen plant eine Sanierung und Erweiterung der Käthe-Kollwitz-Schule. Denn die 1968 eingeweihte Grundschule entspricht nicht mehr den aktuellen energetischen und pädagogischen Ansprüchen. Zudem werden aufgrund steigender Schülerzahlen sowie der Ausweitung des Ganztagsbetriebs weitere Räumlichkeiten benötigt.
Die zwei- bis dreizügige Grundschule, die in einem Wohngebiet in der Nordstadt liegt, soll komplett dreizügig und für 250 Schüler ausgebaut werden. Gefordert war ein gestalterisches Gesamtkonzept, das dem neuen Eingangsbereich mit Foyer bzw. Aula als „Herz der Schule“ maßgebliche Bedeutung beimisst. Der neue Gemeinschaftsbereich soll multifunktional nutzbar sein und als zentraler Verteiler in die anderen Gebäudeteile fungieren. Die einzelnen Jahrgänge sind in Cluster zu organisieren, die über eigene WC-Anlage und Garderoben verfügen. Die Schule ist in Teilen als „Hausschuhschule“ zu konzipieren, sodass ausreichend Garderobenräume mit Schleusenfunktion einzuplanen sind. Auch verschiedene Fachräume werden benötigt, darunter ein Werk- und Kunstraum sowie ein Musikraum und eine Schulküche, die an die Aula anschließen sollen. Darüber hinaus soll die Verwaltung vergrößert, ein zentraler Fachkräftebereich sowie in jedem Cluster Teamzimmer geschaffen werden. Bei dem ausgelobten nichtoffenen Realisierungswettbewerb, den THOMASGRÜNINGERARCHITEKTEN aus Darmstadt betreuten, vergab das Preisgericht unter Vorsitz des Frankfurter Architekten Dirk Schluppkotten vier Preise und eine Anerkennung.
Als Sieger setzte sich das ortsansässige Büro aplus architektur durch. Die vorhandene Clusterarchitektur wird erhalten, behutsam an der Pausenhofseite ergänzt und durch eine neue Mitte mit „grünem Klassenzimmer“ städtebaulich neu gefasst. Während die Baukörper nach außen, Richtung Stadtraum, in ihrer aufgelösten Struktur erhalten bleiben, sind sie doch über eine äußere Überdachung strukturell miteinander verbunden. Besonders positiv bewertete die Jury den Erhalt der identitätsstiftenden Sichtbetonfassade der Bestandsbauten. Alle baulichen Ergänzungen besitzen eine Holzfassade und setzen sich somit deutlich vom Bestand ab. Die Haupterschließung erfolgt wie gehabt über den Spitzwegring. Der Aula-Neubau grenzt den dahinterliegenden Schulhof und die Unterrichtsbereiche nach außen ab. Eine barrierefreie Erschließung ist gegeben. Den Verfassern sei es auf beeindruckende Weise gelungen, die Nutzflächen ohne wesentliche Erhöhung von Verkehrsflächen zu steigern und die bestehenden, bislang kaum genutzten Grünflächen zu integrieren, lobte die Jury.
Der zweite Preis ging an Lindschulte Thillmann GmbH aus Koblenz. Der Entwurf besticht durch eine eindeutige Adressbildung der Schule. Die in Holzständerbauweise errichteten Ergänzungsbauten sind wohl proportioniert und fügen sich harmonisch in das Ensemble ein. Dabei bildet die neue Holzfassade einen klaren Kontrast zur bestehenden Betonstruktur. Das Herz der Schule ist der Haupteingang mit Aula und Mensa, die sich flexibel zusammenschalten lassen. Über einen Luftraum ist die Verwaltung im Obergeschoss mit dem Eingangsbereich verknüpft. Die Lernhäuser werden separat über den Schulhof erschlossen. Besonders angetan zeigte sich die Jury von der qualitätsvoll gestalteten Mitte der Jahrgangscluster: Ein multifunktionaler Raum, der über einen Luftraum mit dem Obergeschoss verbunden ist. Auch das Raumprogramm sowie die dargestellten Bauphasen konnten überzeugen.
Die drittplatzierte Arbeit der 05 Architekten - Raab Hafke Lang aus Frankfurt setzt auf eine behutsame Nachverdichtung: Der geplante Erweiterungsbau schließt die Lücke zwischen der Sporthalle und den Jahrgangshäusern. Dadurch entsteht eine neue Mitte, die mit dem zentralen Eingang das Herz der Schule bildet. Die einzelnen Jahrgangshäuser wachsen durch die Erweiterung zu einem geschlossen wirkenden Gebäudekomplex zusammen. Obwohl die Bestandsarchitektur dabei zu stark überformt werde – durch die vorgeschlagene horizontale Holzschalung der Betonfassade präsentiert sich die gesamte Schule als moderner Neubau – zeichne sich die Arbeit insgesamt durch ein sehr gut umgesetztes Raumprogramm aus, hieß es im Juryurteil.
Mit einem vierten Preis wurde der „präzise und gut durchgearbeiteten Entwurf“ der STUDIO SF Simon Fischer & Architekten GmbH aus Mannheim bedachte. Er ergänzt die Schulanlage in selbstverständlicher Weise und bietet zahlreiche qualitätsvolle Außenräume. Am Spitzwegring liegen neben dem Haupteingang auch die Zugänge zur Turnhalle und Vorschule. Dies trage zu einer guten Orientierung bei und ermögliche eine vom Schulbetrieb unabhängige Nutzung verschiedener Funktionsbereiche. Pavillonbauten ergänzen das Schulensemble, bilden gut proportionierte Innenhöfe aus und sorgen für eine Vernetzung der Cluster untereinander. Die vorgeschlagene Klinkerfassade im Bereich der Bestandsbauten konnte zwar nicht überzeugen, unterstütze aber die Ablesbarkeit von Alt und Neu.
Eine Anerkennung erhielten Spital-Frenking + Schwarz Architekten | Stadtplaner aus Dortmund für ihren selbstbewussten, architektonisch anspruchsvollen Entwurf. Die Verfasser platzieren einen teilweise dreigeschossigen Baukörper am Ende des Spitzwegrings, der unmissverständlich die Eingangssituation der neuen Käthe-Kollwitz-Schule markiert und die im Süden liegenden Unterrichtsgebäude effektiv mit den im Norden vorgesehenen Funktionsbereichen – Verwaltung, Turnhalle, Vorschule – verbindet.
An den entschiedenen Wettbewerb schließen sich Vertrags- und Verhandlungsverfahren an; der erste Bauabschnitt ist für Ende 2020 vorgesehen.
Lena Pröhl