Forderungspapier der AKH

Steuerverbesserungen zur Belebung des Wohnungs­baus

Wies­ba­den, 10. April 2024 – Die Architekten- und Stadt­planer­kammer Hessen (AKH) fordert zur zwingend erforder­lichen Belebung des Wohnungs­baus in der derzeitigen Konjunkturkrise entschlosse­nes Handeln der Politik auf allen Ebenen. Steuerrechtliche Ver­besse­rungen von Ab­schreibungen und Steuersätzen vor weiteren Förderprogrammen muss die Devise sein. Denn Steuerrecht wirkt rasch und unbürokratisch. Dagegen sind die Bedingungen von För­derprogrammen häufig unübersichtlich, langwierig, bürokratisch und zu komplex. Das zeigt sich beispielsweise an nicht immer vollständig abgerufenen Fördermitteln sowie an Hausbanken, die es oft ablehnen, KfW-Mittel-Anträge zu begleiten. Nicht zuletzt sind dauerhaft verfestigte Subventionen auch ordnungspolitisch zu hinterfragen.

In der Bundesrepublik Deutsch­land sind (nach Recherchen der AKH) derzeit insge­samt 181 Förderprogramme aktiv, die die Baubranche betreffen. 169 Programme davon auf Länderebene, allein in Hessen sind es 31 Programme vor Nordrhein-West­falen mit 27 Förderprogrammen oder Bayern mit 22 Förderprogrammen. Dennoch herrscht aktuell Stillstand im Wohnungs­bau und Flaute in anderen Bereichen des Bauens.

Trotz Förderung ist eine Investition in Wohnimmobilien derzeit nicht rentierlich und zu risikobehaftet. Schwankende Förderkulissen verunsichern und beseitigen Planungs­sicherheit. Sie verbessern nicht die ökonomischen Fundamentaldaten. Im Jahres­durchschnitt 2022 hatte der Preis für Leis­tungen des Bauhauptgewerbes1 um 16,7 Prozent und 2023 um 6,5 Prozent zugelegt, nach einem Plus von 9,0 Prozent 2021 und 1,5 Prozent im Jahr 2020. Demgegenüber ist der Verbraucherpreisindex 2022 um 6,9 Prozent bzw. 2023 um 5,9 Prozent gestiegen, nach einem Plus von 3,1 Prozent bzw. 0,5 Prozent in den Vorjahren. Solche Preissteigerungen wie 2022 gab es im Bauhauptgewerbe letztmalig 1970.

Diesen Baupreissteigerungen im Bauhauptgewerbe steht im selben Zeitraum seit der Zinswende der Europäischen Zentralbank eine Erhöhung des Bauzinsniveaus um rund das Vierfache gegenüber. Um in diesem Umfeld mit vertretbaren Renditeaus­sichten in Wohnimmobilien investieren zu können, müsste die Aussicht auf Mieten von mindestens 20 bis 25 Euro je Quadratmeter bestehen. Gerade auch öffentliche Woh­nungsbauunternehmen können unter den derzeitigen Rahmen­bedingungen keinen neuen Wohnraum mehr erstellen.

Das Land Hessen ist deshalb dringend dazu aufgerufen, sich sowohl für kurzfristige Änderungen im Landesrecht, als auch über den Bundesrat für Ver­besse­rungen im Steuerrecht auf Bundesebene einzusetzen. Der Streit um das unzureichende Wachs­tumschancengesetz währte zu lange.

Die AKH fordert die Politik vor diesem Hintergrund dazu auf, folgende Änderungen mit höchster Priorität anzugehen:

1. Reduktion der Grunderwerbsteuer

Die Grunderwerbsteuer ist zu reduzieren. Die Grunderwerbsteuer macht den Kauf und Verkauf wegen zu hoher Kaufnebenkosten zu unattraktiv. Das behindert die erforder­liche berufliche Mobilität und vor allem wirkt es sich auch negativ auf den stets stei­genden Wohnflächenbedarf je Person aus. Wegen der Erschwerung des Immobilien­erwerbs durch hohe Grunderwerbsteuern unterbleiben Verkäufe von unternutzten Im­mobilien nach der Familienphase von älteren Eigentümern an jüngere Familien.

Bei der diskutierten Maßnahme die Grunderwerbsteuer mit einer Ratenzahlung zu be­legen, diese zu senken oder sogar ganz abzuschaf­fen, würde es nach unserer Ein­schätzung zu Steuerausfällen kommen. Allerdings reduzieren sich durch diese Maß­nahmen die Anschaffungsnebenkosten beim Erwerb einer Immobilie, was wiederum zu einem Nachfrageanstieg führen kann und damit ebenfalls die bereits beschriebe­nen positiven Auswirkungen zur Folge hätte. Zudem kann durch die neu geschaf­fenen Wohnungen der Staat auch künftig neue Steuereinnahmen aus der Vermietung der Wohnungen generieren.

2. Einführung einer Sonderabschreibung für den Wohnungs­bau

Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes3 am 27. März 2024 wurde eine degressive Abschreibung (AfA) in Höhe von 5 Prozent für Wohngebäude ermög­licht. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch unzureichend, um den Wohnungs­bau nach­haltig zu beleben. Spätestens im Zuge der nächsten Haushalts­gesetzgebung für das Jahr 2025 plädiert die AKH für eine Überprüfung und Anpas­sung der Abschreibungsregeln und die Einführung einer auf zehn Jahre befristeten Sonderabschreibung in Höhe von acht Prozent, um den Kauf von Wohnimmobilien für private Investoren wieder attraktiv zu machen, da dadurch die zu erzielenden Rendi­ten trotz der aktuell schlechten Zinslage wieder zu mehr Kaufentscheidungen führen können. Die Sonderabschreibung sollte an niedrige Bedingungen geknüpft sein, um keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand auszulösen. Außerdem sollte für ge­meinnützige Unternehmen die Möglichkeit eines Wahlrechts eingeräumt werden, so dass die Sonderabschreibung bis zu acht Prozent gewählt werden kann. Mögliches Kriterium könnte ein robuster Wohnflächenverbrauchsquotient sein. Der Wohnflächen­verbrauchsquotient könnte sich errechnen aus dem in der Planung je Regelnutzer der geplanten Wohnung auszuweisenden Wohnflächenbedarf im Verhältnis zum statisti­schen Durchschnittswohnflächenbedarf. Förderungsbedingung ist ein Quotient von 0,9 oder weniger.

Ein weiteres Kriterium könnte außerdem bzw. alternativ nach gesetzlicher Festlegung einer einheitlichen und gleichfalls robusten Treibhausgas-Bilanzierungsmethodik ggf. auch die Koppelung an die Unterschreitung eines Höchstwertes von Kilogramm

CO2-Äquivalent (kg CO2e) / Wohn- und Nutzfläche als Maß der auf die Gebäude­errichtung entfallenden grauen Energie sein. Voraussetzung für die Einräumung eines derart bedingten Abschreibungsvorteils ist allerdings: Alle genannten Bedingungen können ohne zusätzliche Behörden oder Prüfstellen durch Architekten und Baube­hörden mit einfachen Mitteln geprüft und verständlich und ohne bürokratischen Zusatzaufwand im Steuerfestsetzungsverfahren nachgewiesen werden. Solange diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, hat die Stabilisierung der derzeit abgestürzten Baukonjunktur Vorrang. Andernfalls wird auch die Planungs- und Bau­wirtschaft von der Fachkräfte-Abwanderung betroffen sein, die die Gastronomiebranche nach Corona schon erlebt hat. Die an sich hohen Wohnungszubaubedarfe können umso weniger gedeckt werden, je mehr Arbeitskräfte infolge der Krise abwandern. Nach Ablauf der Sonderabschreibung erfolgt die normale lineare Abschreibung vom ver­bleibenden Restbuchwert entsprechend den geltenden Regelungen.

Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung kann vom Gesetzgeber über den Bauantrag definiert werden. Gleichzeitig kann die Höhe der Abschreibung vom Ge­setzgeber für neue Bauanträge jederzeit angepasst werden, wenn man als Kriterium die Anzahl der gebauten Wohnungen heranzieht. Bei Erreichen der politisch definier­ten Zielmarke von jährlich 400.000 neu gebauten Wohnungen kann die Sonderab­schreibung dann für Neuanträge wieder eingestellt werden.

Diese Maßnahme stellt auch keine Subvention in Form von Zurverfügungstellung von Kapital seitens des Staates dar. Es kommt dadurch auch nicht zum Ausfall von laufen­den Steuereinnahmen. Vielmehr ermöglicht diese Maßnahme dem Staat neue Steuer­einnahmen zu generieren, da durch das Anspringen des Wohnungs­baumarktes das Handwerk, Ar­chi­tekt*in­nen und sonstige damit in Verbindung stehende Unternehmen wieder neue Aufträge erhalten. Aus deren Erträgen können Arbeitsplätze und die künftigen Steuereinnahmen gesichert oder sogar gesteigert werden. Der vermeintliche Steuerausfall aus der erhöhten Abschreibung stellt hier keinen Faktor dar, da diese Wohnungen aktuell auf Grund der schlechten Rahmen­bedingungen gar nicht gebaut werden und somit bei Betrachtung der gesamtwirt­schaftlichen Situation die Grundlage für Steuerausfälle bereits jetzt vorhanden ist, durch die Maßnahme aber verhindert werden könnte.

3. Schuldzinsenabzug bei eigengenutzter Immobilie

Analog zum damaligen § 10e Einkommensteuergesetz (EstG) kann die Wiedereinfüh­rung eines Schuldzinsenabzuges für den Erwerb einer eigengenutzten Wohnimmobi­lie den Käufermarkt beleben. Durch diese Maßnahme kann die Kaufentscheidung für private Käufer von den Zinsmärkten entkoppelt werden. Somit kann neben dem Inves­torenmarkt auch der private Markt belebt werden.

Auch diese Maßnahme ist leicht umzusetzen und benötigt keinen Aufbau einer neuen Behörde. Die Überprüfung kann im Rahmen der Steuerveranlagung von den Finanz­behörden übernommen werden. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme kön­nen ebenfalls an das Datum der Bau­genehmigung, Wohnfläche, Einsatz von Energie (kg CO2e/m2a) über den Lebenszyklus und die definierte Zielmarke für den Woh­nungsmarkt gekoppelt werden.

Steuerausfälle entstehen erst, wenn neue Wohnimmobilien gebaut und genutzt wer­den. Diese werden aber dadurch kompensiert, dass durch das Schaffen von neuem Wohnraum der Druck auf dem Wohnungsmarkt reduziert wird und dadurch andere Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. das Wohngeld reduziert werden könnten.

4. Reduzierter Umsatz­steuersatz

Zur dringend erforderlichen kurzfristigen Ankurbelung des Wohnungs­baus ist außer­dem die auf drei Jahre befristete Absenkung des Mehr­wert­steuersatzes auf sieben Prozent für Planungs- und Bauleistungen zu prüfen, soweit sie für den Wohnungs­bau bestimmt sind.

5. Bürokratieabbau bei der Nachweisführung

Die AKH schlägt vor, grundsätzlich bis zu einer Fördersummengrenze die Prüfung auf der Stufe des Verwendungsnachweises, d. h. bei BEG- (Bundes­förderung für effizi­ente Gebäude) Programmen der technischen Projektnachweise deutlich zu vereinfa­chen. Es erscheint ausreichend zu sein, sich hier auf Stich­proben­kontrollen zu be­schränken. Dagegen ist von einer vollumfänglichen Nachprüfung der Nachweisfüh­rung durch den zivil-, berufs- und strafrechtlich gebundenen Energieeffizienzexperten zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung abzusehen.

6. Perspektivische Ausrichtung des hes­si­schen Wohnraumförderungs­gesetzes auch auf Bestandsweiternutzung und Nachhaltigkeit

Weiterhin sind die §§ 2, 8 und 9 des hes­si­schen Wohnraumförderungsgesetzes (HeWoFG) um Gesetzeszwecke zu erweitern. Denn offenkundig kann gerade durch die Ausrichtung des Wohnungs­baus auf die Ziele der Effizienz, der Suffizienz und Konsistenz ein wesentlicher Beitrag zur Erfüllung der hes­si­schen und des Bundes­klimaschutzgesetzes geleistet werden, indem der Beitrag des Bau- und Gebäude­sektors zum CO2-Ausstoß merklich gesenkt wird.

Derzeit kennt das HeWoFG nur das allgemeine Berücksichtigungsgebot der Ressour­censchonung unter § 8 Abs. 1 Ziff. 5 HeWoFG. Derartige Klima­schutzzwecke werden aber nicht auf die Ebene von Gesetzeszielen nach § 2 gebracht oder zu dezidierten Fördergegenständen nach § 9 HeWoFG gemacht.

Die AKH sieht es in Anbetracht der derzeitigen wirt­schaftlichen Krisenlage des Woh­nungsbaus als gerechtfertigt an, im ersten Schritt aber zunächst lediglich eine Er­mächtigungsgrundlage für eine Verordnung zu schaf­fen. Von dieser Verordnungs­ermächtigung soll der Verordnungsgeber im zweiten Schritt, wenn die Konjunktur sich stabilisiert hat, binnen einer Frist von drei Jahren nach In-Kraft-Treten des Gesetzes Gebrauch gemacht haben. Er wird dabei die bevorstehenden Änderungen wegen der Umsetzung der Novelle der Gebäudeenergierichtline in deutsches Recht berücksichti­gen können und müssen.

Für die Aktivierung des Gebäude­bestands sollen Projekte unter folgenden Bedingun­gen mit erhöhtem Sonderförderumfang gefördert werden, sofern die örtlichen Vorga­ben zum Anteil des sozial geförderten Wohnraums eingehalten werden:

Erhöhte Förderung ist zu leisten, sofern es gelingt,

  • die vorhandene Bausubstanz überwiegend, d. h. zu mindestens 50 Prozent zu bewahren
  • in Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie 70 Prozent des nicht-gefährlichen Bau- und Abrissabfalls (gemessen am Gewicht) für erneute Nutzung oder Recyc­ling vorzubereiten
  • bei Durch­führung einer Ökobilanzierung sicherzustellen, dass deren Bilanz im Er­gebnis nicht schlechter als 24 kg CO2e/m²a beim Bau und 96 kWh/m²a im Betrieb der kommenden 50 Jahre (QNG Plus-Standard) ist.
  • Den Wohnraumfördermaßnahmen soll ein Architekten­wett­bewerb nach den Richt­linien für Planungs­wettbe­werbe, mindestens aber eine konkurrierende Beauftra­gung der Vorplanung mit wenigstens drei Teilnehmenden und mit Beteiligung einer unabhängigen Jury vorausgehen.

Die zusätzliche Förderung, die vor allem das Bauen in und mit dem Bestand aus Klima­schutzgründen stärkt, soll bestehende Förderprogramme nicht reduzieren.


Wies­ba­den, im April 2024

 


1 Quelle: destatis, Statistisches Bundesamt

2 Der Bund will übereinstimmenden Medienberichten zufolge die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Sachsen-Anhalt mit 9,9 Milliarden Euro unterstützen.

3 Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und In­no­vation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness