Neubau Kinder­tages­stätte Märchenwald

Preisgerichtsentscheidung liegt vor

Fach­richtungInnen­architektur
WettbewerbsformNichtoffener Realisierungs­wett­bewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren
OrtSteinau an der Straße
AusloberMagistrat der Stadt Steinau an der Straße
BetreuungPlanES, Gießen
PreisrichterJürgen Juli (Vorsitz), Christopher Unger, Sybille Waechter, Malte Jörg Uffeln, Jutta Hiestermann

Kompakt, quadratisch, gut
Neubau der Kinder­tages­stätte Märchenwald in Steinau an der Straße

Steinau an der Straße liegt im Südosten Hessens, eingebettet zwischen Spessart im Süden und Vogelsberg im Norden. Der Zusatz "an der Straße" erinnert an die einstige Be­deutung Steinaus als wichtige Station an der Via Regia, der alten Handelsstraße zwischen Frank­furt/Main und Leipzig, und dient der Unterscheidung von anderen gleichnamigen Orten.

Die Stadt plant auf dem Grundstück der bestehenden Kinder­tages­stätte im Zentrum Steinaus einen Neubau zu errichten. Denn der Altbau aus den 1920er Jahren ist dringend sanierungsbedürftig und soll künftig die Schulkinder-Betreuung der benachbarten Brüder-Grimm-Schule aufnehmen. Umgeben wird das Wettbewerbsgrundstück von einer ein- bis zweigeschossige Wohn- und Geschäftsbebauung, im Osten grenzt die historische Stadtmauer an. Für die Gestaltung der sechsgruppigen Kinder­tages­stätte war ein nichtoffener Realisierungs­wett­bewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren ausgelobt worden, den PlanES aus Gießen betreuten. In der neuen Kinder­tages­stätte sollen bis zu 124 Kinder in drei Ü3-Gruppen, zwei Krippengruppen und einer altersübergreifenden Gruppe betreut werden. Neben Gruppenräumen waren auch Schlafräume, ein Personalraum und Leitungsbüro, ein Werkraum und Atelier sowie ein multifunktionaler Mehrzweck- und Speiseraum mit zugeordneter Küche nachzuweisen. Besonderer Wert wurde auf eine Barrierefreiheit im Innen- wie Außenbereich gelegt. Der Außenbereich der Krippengruppen sollte getrennt angeordnet werden. Die Jury unter Vorsitz des Fuldaer Architekten Jürgen Juli vergab einen ersten, zweiten und dritten Preis.

Der Siegerentwurf der AG5 Architekten PartGmbB aus Darm­stadt sieht einen kompakten, quadratischen, dreigeschossigen Baukörper im nördlichen Grundstücksbereich vor, der von der Brüder-Grimm-Straße aus erschlossen wird. "Die Erschließung (ist) deutlich zur Stadt orientiert; es entsteht eine einladende Eingangssituation mit Vorplatz", lobte die Jury. Im Erdgeschoss befindet sich ein zentrales Foyer, um das sich die Gemein­schaftsnutzungen, Verwaltung und Technikräume gruppieren. Im 1. Obergeschoss, das durch die Hangsituation direkt an den Außenbereich angeschlossen ist, befinden sich die Gruppenräume der Kita (Ü3-Gruppen) inklusive Nebenräumen. Der zentrale Bereich ist als großzügiger Spielflur ausgebildet. "Durch die Anbindung an die außen angelagerten Treppenräume entsteht eine interessente und nutzbare Bewegungsfläche", so das Preisgericht. Konsequent wird dieses Prinzip im Obergeschoss in den Gruppenbereichen der Krippe sowie der altersübergreifenden Gruppe fortgeführt: Als Außenbereich werden hier zwei großzügige Dachterrassen angeboten. Die Belichtungs- und Belüftungssituation der Aufenthaltsräume wurde positiv bewertet, ebenso die Fassadengestaltung mit Holzlamellen, die sich selbstbewusst im heterogenen Umfeld behaupte. Die extensive Dachbegrünung und die Verwendung regenerativer Baustoffe stünden für einen ressourcenschonenden Entwurfsansatz.

Mit dem zweiten Preis würdigte die Jury den Entwurf raum-z architekten gmbh aus Frank­furt/Main. Den Verfassern sei es gelungen, mit der neuen Zugangssituation von der Ringstraße über einen kleinen Vorplatz eine klare und sehr eigenständige Adressbildung zu entwickeln. Das Raumprogramm sei im Wesentlichen erfüllt, Mehrzweck- und Speiseraum seien jedoch zu gering bemessen. Angetan zeigte sich die Jury vor allem von der subtilen Freiraumgestaltung. Mit dem Motiv des Baumhofes werde ein angenehm proportionierter, beschatteter Freiraum geschaf­fen, der Neu- und Altbau gut arrondiert zusammenbringt und eine sehr gute Nutzbarkeit und angenehme Atmosphäre erwarten lässt. Zur Überbrückung der Höhendifferenzen im Außenraum werden Rampen oder schräge Ebenen angeboten. Im Inneren ist die Barrierefreiheit ebenfalls gegeben.

Auch der dritte Preis ging nach Frank­furt/Main, an die o5 Architekten. Als einzige der prämierten Arbeiten sieht der Entwurf eine Aufteilung des Raumprogramms in zwei separate, zweigeschossige Gebäude vor, die sich geschickt in die Topografie einfügen und zusammen mit dem Altbau ein Ensemble bilden. Das nördliche Gebäude nimmt im unteren, hangeinbindenden Geschoss die Krippe auf. Darüber liegen Mehrzweckraum, Speiseraum, Verwaltung und Leitungsbüro, die über einen direkten Zugang vom oberen Hangniveau verfügen. Der Kindergarten ist im westlichen Baukörper untergebracht, wodurch sich lange Wege zum Speiseraum ergeben. "Die eingerückten Eingänge beider Häuser bilden zusammen mit den Eingängen in den Altbau ein schönes Gegenüber und binden diesen in eine zukünftige Nutzung ein", lobten die Preisrichter. Die flachgeneigten, metallgedeckten Walmdächer der Holzbauten korrespondieren mit der Dachlandschaft des Bestandes und der umgebenden historischen Stadt. Oberlichter belichten Treppenräume, Foyer und Spielflure.

Die Jury empfahl dem Auslober, den ersten Preisträger mit der Realisierung des Gebäudes zu beauftragen.

Lena Pröhl