JLU Gießen, Wettbewerb Hörsaalzentrum Philosophikum I

Preisgerichtsentscheidung liegt vor

Fach­richtungAr­chi­tek­tur
WettbewerbsformNichtoffener Realisierungs­wett­bewerb mit anschließendem Verhandlungs­verfahren nach VgV
OrtGießen
AusloberLand Hessen
BetreuungFaltin+Sattler FSW Düsseldorf GmbH
PreisrichterProf. Zvonko Turkali (Vorsitz), Prof. Stephan Birk, Prof. Gesche Grabenhorst, Volker Giezek, Prof. Bernadette Heiermann, Prof. Dr. Michael Koch, Stefan Haub, Thorsten Schmidt, Sophia von den Driesch, Dietlind Grabe-Bolz, Susanne Kraus, Thomas Platte, Prof

Neuer Campus für die Kultur- und Geisteswissenschaften
Neubau des Seminargebäudes I

Text: Lena Pröhl

Die Justus-Liebig-Univer­sität Gießen plant die bislang getrennten Bereiche Philosophikum I und II sukzessive zu einem Campus zusammenzuführen. Entstehen soll ein belebtes Univer­sitätsquartier, das auch der Öffentlichkeit im Rahmen von Abendveranstaltungen zugänglich ist. Mit der neuen Zentralbibliothek und dem Graduiertenzentrum der Kulturwissenschaften wurden bereits erste Bau­steine realisiert.

Nun folgt der Neubau des Seminargebäudes I am zentral gelegenen Campusplatz, der eine Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen aufnehmen soll: Neben Lehr- und Seminarräumen sind Räume für kultur- und geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte vorgesehen, ferner ein Tagungsbereich, Serviceflächen, ein Campusladen, Ausstellungsflächen, Vortragsräume, Sport- und Bewegungsflächen für den Hochschulsport sowie Arbeits- und Kommunikationsflächen. Für die Hochbauplanung hatte das Land Hessen einen nichtoffenen Realisierungs­wett­bewerb ausgelobt, an dem sich 18 Büros aus ganz Deutsch­land beteiligten. Betreut wurde das Verfahren von der Faltin+Sattler FSW Düsseldorf GmbH.

Als Sieger setzte sich der Entwurf des Berliner Architekten Max Dudler durch. Das neue Seminargebäude besticht durch Klarheit, gute Orientierung und durchgängige Übersichtlichkeit. Unmittelbar an der Magistrale angeordnet schaffe der Neubau eine selbstbewusste Platzkante mit großer Strahlkraft, lobte die Jury. Zugleich erzeuge die massive Fassade aus Betonfertigteilen eine starke Prägnanz im unmittelbaren Umfeld zur Bibliothek. Auch die gewünschte Koppelung zur ÖPNV-Haltestelle ist gegeben. Das Seminargebäude kommt ganz ohne Flure aus. Vielmehr leitet ein spannendes Raumkontinuum Studierende, Forschende und Gäste geschickt und ebenso erlebnisreich durch das Volumen. Die Seminar- und Büroräume sind gut positioniert und belichtet und bieten dadurch besondere Arbeitsplatzqualitäten. Insgesamt stelle die Arbeit eine eigenständige und sehr überraschende Gebäudetypologie vor. Durch Ausdruck, Materialität und Prägnanz biete sie im Zusammenspiel mit der geplanten Bibliothek eine sehr gute Grundlage für die Ent­wick­lung eines räumlich wirksamen Ensembles, das den neuen Campus als einen besonderen, unverwechselbaren Ort in der deutschen Hochschullandschaft verankere, lautete das Juryurteil.

Die zweitplatzierte Arbeit der Bez + Kock Architekten Generalplaner GmbH aus Stuttgart sieht ein gestaffeltes Gebäude vor, das sich zum Platz hin deutlich zurücknimmt, durch die Sandsteinfassade aber klar von der benachbarten Bibliothek absetzt. Die Haupterschließung erfolgt über eine zentrale Halle, die einen gestaffelten Lichthof bis ins Foyer bildet. Alle Räume sind um diesen zentralen Luft- und Erschließungsraum gruppiert und bieten gute Orientierung. Die Erschließungs- und Kommunikationszonen seien jedoch etwas knapp bemessen und wenig ausdifferenziert. Dennoch handele es sich um einen sehr spannenden wie im positiven Sinne zurückhaltenden Entwurf, der die Ausbildung des Gebäudevolumens auf eine eigenständige Weise interpretiere und dem Ensemble am Campus-Platz einen Kontrapunkt setze, so die Preisrichter.

Auch der dritte Preis ging nach Stuttgart an die h4a Gessert + Randecker Generalplaner GmbH. Die Verfasser präsentieren einen dreigeschossigen Bau, der durch innenräumliche Qualitäten besticht. Besonders angetan zeigte sich die Jury von der zentralen Mitte mit umgebenden Funktionsbereichen, die als Erschließungs- und Begegnungsraum fungiert. Auch die Raumzuschnitte und klare Orientierung im Gebäude wurden positiv bewertet. Der gestalterische Ausdruck des Gebäudes konnte auf­grund des großen Glasanteils jedoch nicht überzeugen, zumal die Fassaden Unstimmigkeiten zu den Grundrissen aufweisen.

Mit einem vierten Preis bedachte die Jury die agn Niederberghaus & Partner GmbH aus Ibbenbüren, deren Entwurf hohe funktionale Qualitäten aufweist. Der Eingang des viergeschossigen Seminargebäudes ist zum Campusplatz orientiert und durch einen Fassadenrücksprung im Erdgeschoss markiert. Dieser Rücksprung wird bis auf die Ostseite herumgeführt und dient als Überdachung des Wartebereichs an der Bushaltestelle. Der Neubau wird in einen öffentlichen und halböffentlichen Bereich zoniert, was an der Fassade ablesbar ist. Im Erdgeschoß befinden sich der Tagungsbereich und die abschließbare Ausstellungsfläche, in den Obergeschossen die Räume für Lehre und Forschung.

„Der viergeschossige Baukörper wirkt in der Gliederung der Fassaden und der vorgesehenen

Materialität ruhig und stellt einen selbstbewussten Mitspieler am Campusplatz dar“, so beschreibt die Jury den fünftplatzieren Entwurf der Nickl Architekten Deutsch­land GmbH aus München. Durch Zurückspringen der erdgeschossigen Südwest- und Südostfassaden entstehe eine positive Eingangssituation zum Campusplatz wie auch zur Bushaltestelle. Der Eingang führt in ein langgestrecktes dreigeschossiges Atrium – das Herzstück des Seminargebäudes. Lob fand insbesondere die als Lernlandschaft konzipierte, über zwei Geschosse führende Treppe. Tagungsflächen hingegen wurden vermisst, die großen Technikflächen auf dem Dach kritisiert.

Mit Anerkennungen wurden die Arbeiten von wulf architekten gmbh (Stuttgart), Gerber Architekten GmbH (Dortmund) und AWB ARCHITEKTEN (Dresden) gewürdigt.

Das Preisgericht unter Vorsitz des Frank­furter Architekten Prof. Zvonko Turkali empfahl dem Auslober einstimmig, den Siegerentwurf der weiteren Bearbeitung zu Grunde zu legen. Im Nachgang zum Wettbewerb ist ein Verhandlungs­verfahren mit den fünf Preisträgern geplant; die Bauphase zwischen 2021 und 2025.